Zeitbilder 7/8, Schulbuch

2.3 Vergleich politischer Systeme Der Begriff Der Begriff „Politisches System“ löst bisherige Begrif- fe wie „Staat“ oder „Regierungssystem“ ab. Es hat sich dieser neue Begriff aus mehreren Gründen durchge- setzt: Politik findet nicht nur in den staatlichen Einrich- tungen wie „Parlament“ oder „Regierung“ statt. Politik wird auch besonders durch das gesellschaftliche Um- feld bestimmt (z. B. durch Medien, Non-Governmental Organizations/NGOs, Interessengruppen). Allen politischen Systemen ist gemeinsam, dass sie ein Mindestmaß an Ordnung herstellen und ein geregeltes Leben für die Menschen gewährleisten. Diese Ordnun- gen und Rahmenbedingungen für ein geregeltes Leben können allerdings sehr verschieden sein. 1. Grundlagen der westlichen Demokratien Die Entwicklung der politischen Systeme begann mit dem Schutz der/s Einzelnen vor der Willkür der Mächti- gen. Allmählich ging es dann um die Teilnahme an po- litischen Entscheidungen und um die Mitgestaltung in der Politik. In Europa mussten diese Rechte der Mitbe- stimmung gegen eine Herrschafts- und Gesellschafts- ordnung durchgesetzt werden, in der bestimmte Grup- pen wie z. B. der Adel oder auch die Kirche besonders privilegiert waren. In diesen jahrhundertelangen Ausei- nandersetzungen haben sich mehrere Grundelemente herausgebildet, die kennzeichnend geworden sind für die westlichen Demokratien: Partizipation und Legitimation: Die Teilhabe an politischer Entscheidungsgewalt (Partizipation) erfolgt durch Wahlen. Sie ist notwendig, damit das politische (demokratische) System als legiti- miert erscheint, das heißt, dass es die Bürgerinnen und Bürger bejahen. Rechtsstaat: Rechtsgleichheit – alle Menschen sind vor dem Recht gleich – und Rechtssicherheit – Bindung der staatlichen Entscheidungen an das Recht – sind wichtige Bedin- gungen für die Demokratie. Gewaltenteilung: Die Machtausübung wird in einer Demokratie durch Gewaltenteilung geregelt. Zunächst versteht man darunter eine „horizontale Ge- waltenteilung“: Die Gesetzgebungsgewalt, die Regie- rungsgewalt und die richterliche Gewalt sind getrennt. Die „vertikale Gewaltenteilung“ verringert die Konzentration der Staatsmacht auf der obersten Ebene. Die Übertragung von Teilen der Staatsmacht auf Un- terebenen (z. B. Bundesländer in Österreich oder in der BRD, auf Kantone in der Schweiz, auf Bundesstaaten in den USA) wird als Föderalismus bezeichnet. „Zeitliche Gewaltenteilung“ besagt, dass die Regieren- den immer nur für eine bestimmte Zeit gewählt werden. „Soziale Gewaltenteilung“: In der letzten Zeit nimmt die Bedeutung großer politischer Parteien zunehmend ab. Vielfältige soziale Gruppierungen und Bewegungen, welche durch die Medien unterstützt werden, sowie die Medien selbst nehmen Einfluss auf die Regierungstätig- keit und die politische Stimmung in einem Staat. Repräsentative oder direkte Demokratie: Die Bürgerinnen und Bürger wählen in Demokratien ihre Vertreterinnen und Vertreter (Repräsentantinnen und Repräsentanten). Diese treffen z. B. in den Parla- menten, Landtagen, Gemeinderäten die verbindlichen Entscheidungen. In der direkten Demokratie treffen die Bürgerinnen und Bürger durch Volksentscheide die wichtigen Entscheidungen selbst – z. B. in der Schweiz. Solche Elemente der direkten Demokratie können auch in repräsentativen Demokratien Anwendung finden, z. B. durch Volksbegehren oder Volksabstimmungen. Großbritannien: parlamentarische Tradition Wenn vompolitischen System inGroßbritannien die Rede ist, wird in der Regel die lange Tradition des Parlamen- tarismus betont. Dieser hat sich seit dem 13. Jh. (Magna Charta) in langen Auseinandersetzungen zwischen Adel und König um den Einfluss auf die Regierungsgeschäfte herausgebildet. Bereits im 14. Jh. kam es im Parlament zu einer Trennung zwischen Oberhaus (House of Lords) und Unterhaus (House of Commons). Das entscheiden- de Ereignis schließlich war die Glorreiche Revolution (1688/89). Damals wurde die Macht des Parlaments und damit des Gesetzes über die Macht des Königs („Krone“) gestellt. Die Krone wurde zu einem Staatsorgan. Im Parlament wurde das Unterhaus zur dominierenden Kraft. Die Abgeordneten ließen sich im Wesentlichen zunächst zwei großen Gruppen zuordnen: die (grund- besitzenden) Tories (Conservatives) und Whigs (Libera- le, städtisches Bürgertum). Die Whigs wurden Anfang des 20. Jh. von den Labours (Abgeordnete der Arbei- terklasse) zurückgedrängt. 1922 verdrängten diese die Whigs vom zweiten Platz. Die Labours stellen seither die zweite große Gruppierung im englischen Unterhaus dar. Das Wahlrecht für das Unterhaus wurde – wie in vielen europäischen Ländern – im Laufe des 19. Jh. auf immer mehr Menschen ausgedehnt. Das allgemeine Wahlrecht allerdings wurde erst 1928 eingeführt. Das Wahlsystem ist durch die Mehrheitswahl gekenn- zeichnet. Abgeordnete bzw. Abgeordneter eines Wahl- kreises wird jemand, der die meisten Stimmen auf sich vereint (Einer-Wahlkreis). Alle anderen Stimmen für an- dere Kandidatinnen und Kandidaten bleiben demnach bedeutungslos. Kleinere Parteien, die es auch in Eng- land gibt, haben nur dann eine Chance, einen Sitz im Unterhaus zu bekommen, wenn sie in einem Wahlkreis die Mehrheit erhalten (regionale Hochburg). Die Machtbefugnisse der Premierministerin oder des Premierministers (Regierungschefin oder Regierungs- chef) sind besonders weitgehend: Sie oder er sucht die Kabinettsmitglieder aus und gibt die Richtlinien der Po- litik vor. Bereits im 18. Jh. wurde das Recht auf Opposi- tion im Parlament anerkannt. Die Rolle der Krone ist, obwohl die Königin nach wie vor formal das Staatsoberhaupt ist, aus dem politischen Geschehen weitgehend zurückgedrängt. So wird ihr bloß zugestanden, in der jährlichen Thronrede die Er­ klärung des Premierministers zu verlesen und repräsen- tative Aufgaben zu übernehmen. 180 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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