Zeitbilder 7/8, Schulbuch

4. Zukunftswerkstatt „Was in Europa besser werden muss“ Trotz der vielen positiven Entwicklungen und Erfolge der Euro- päischen Union ist auch großen EU-Befürworterinnen und -Be- fürworter klar, dass es einige Probleme und Schwierigkeiten mit einem gemeinsamen Europa gibt. Die Journalisten Sebastian Fischer und Philipp Wittrock befassten sich 2011 in einem Arti- L Reisen ohne Grenzen, das finden eigentlich alle gut. Auch das mit dem Euro ist gar nicht so schlecht, trotz Krise (…). Immerhin fällt das lästige Geldwechseln im Urlaub weg, und jeder weiß, ob der Kaffee an der Costa del Sol teurer ist als daheim im Bielefelder Straßencafe. Aber sonst. Europa, die Eu- ropäische Union, brauchen wir das wirklich? Diese Frage wird in diesen Tagen wieder ziemlich oft ge- stellt (...) Die glühenden EU-Fans halten dagegen (…) Wahrlich gute Argumente sind dabei, Frieden und Freiheit, Wohlstand und wirtschaftliche Kraft, mehr Wettbewerb, der für niedrige Preise sorgt. Si- cher, man müsse das gelegentlich besser erklären, räumen die Euro-Fighter ein. Aber reicht das? Wohl kaum. Denn die Europäische Union wird von einigen grundlegenden Defiziten ge- plagt, die es dem Bürger schwermachen, Vertrauen in die Gemeinschaft zu fassen. Es sind Defizite, die sich beheben ließen – wenn der politische Wille da wäre. Europa braucht einen Traum Die EU ist eine seelenlose Maschinerie, ihre Bürokra- tie wie ein Roman von Kafka: verwirrend, verstörend, verwinkelt. Wo bleiben bloß die großen Gefühle? (...) Die Europäer brauchen dringend eine gemeinsame Identität, sie brauchen einen neuen europäischen Traum (…). Europa braucht eine europäische Verfas- sung inklusive Grundrechtscharta. Kurz und konkret (…) so, dass sie von jedem EU-Bürger ohne juristi- sche Vorbildung verstanden werden kann (…) Mehr noch: Wir brauchen die Vereinigten Staaten von Eu- ropa. Ein solcher Traum ist wichtig für ein generatio- nenübergreifendes Projekt (…). Europa braucht die Besten Kennen Sie Herman van Rompuy? Nein? Er ist seit anderthalb Jahren Präsident des Europäischen Rates. Catherine Ashton? Schon mal gehört wahrscheinlich. Nennt sich Hohe Vertreterin für Außen- und Sicher- heitspolitik. Und José Manuel Barroso? Hat auch was zu sagen bei der EU, genau – als Präsident der Euro- päischen Kommission, und das schon seit mehr als sechs Jahren. Die EU hat ein Problem mit ihren Spitzenkräften. Sie sind farblose Technokraten – und deswegen werden sie oftmals nicht ernst genommen, nicht einmal in den Regierungen der Mitgliedstaaten (…). Wenn Europa aber als Gemeinschaft ankommen will, beim Bürger und in der internationalen Politik, dann braucht es die besten aus den Mitgliedstaaten. Europa braucht eine kräftige Stimme, die im Chor der stolzen Regie- rungschefs und auf der Weltbühne wirklich gehört wird. Nur wenn prominente, selbstbewusste und konfliktfähige Köpfe für die EU stehen, können sich Menschen mit Europa identifizieren (…) Europa braucht mehr Mut Glauben Sie, dass die Österreicher den USA oder China ein Verhandlungspartner auf Augenhöhe sein können? Oder die Polen? Oder die Niederländer? Nein, keine Chance, definitiv. Das trifft übrigens auch auf Deutsche, Franzosen oder Briten zu. Nur gemeinsam sind die Europäer stark (…). Aber Eu- ropas Regierungen scheinen offenbar nicht gewillt, diese Einsicht in politische Strukturen umzusetzen. Denn noch immer hat die EU keinen Außenminister, der für ihre gemeinsame Politik steht und ein Ver- handlungsmandat hat. Stattdessen hat sie Catherine Ashton. Aber mehr auch nicht. Noch immer hat die EU keinen eigenen, ständigen Sitz im Uno-Sicher- heitsrat. Es gibt keine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik und keine europäische Armee. In Euro- pa macht sechs Jahrzehnte nach Projektbeginn noch immer jeder Nationalstaat sein eigenes Ding (…). Die EU also braucht mehr Macht (…). Europa braucht mehr Härte Europa muss härter werden – zu sich selbst. Zu oft gilt: Wenn es daheim nicht gut läuft, dann wird das EU-Recht eben aufgeweicht. So war es 2004 und 2005, als die Mitglieder es mit dem Stabilitätspakt nicht mehr so genau nehmen wollten, vorneweg Deutsch- land und Frankreich. So ist es in Griechenland, wo man sich um Vorgaben aus Brüssel wenig scherte. So ist es auch jetzt, wenn die dänische Regierung trotz Schengen-Abkommen wieder Grenzkontrollen einführt – weil sie sich dadurch die Zustimmung der Rechtspopulisten für eine Rentenreform zu erkaufen hofft. Doch wenn Europa sich selbst Ernst nimmt, darf im Zweifel eben nicht jeder machen, was er will (…). Das heißt auch, dass ein Land Sanktionen akzeptiert, wenn es sich nicht an die Regeln hält. (Fischer, Wittrock, Schwachstellen der EU: Was in Europa besser wer- den muss. Spiegel –online (16.5.2011)) kel auf „Spiegel online“ mit der Frage, was sich ändern müsse, damit sich die Menschen wieder mehr für Europa begeistern können. Unter dem Titel „Was in Europa besser werden muss“ stellen sie die Schwachstellen der EU aus ihrer Sicht dar und machen auch konkrete Vorschläge für die Zukunft: 158 Methode – Kompetenztraining Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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