Zeitbilder 7/8, Schulbuch

angenommen (ratifiziert) werden. Nach den ablehnen- den Volksabstimmungen im Jahr 2005 in Frankreich und den Niederlanden wurde der Ratifizierungsprozess gestoppt. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa scheiterte also. Der Vertrag von Lissabon Nach dem Scheitern einer Verfassung begannen neue Verhandlungen über eine institutionelle Reform der EU. Als Ergebnis schlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs 2007 den Vertrag von Lissabon. Er ist am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten. Der Vertrag von Lissabon ersetzt die bestehenden Verträge nicht, er än- dert sie lediglich ab. Er beinhaltet folgende wichtige Punkte: 1. Ein demokratischeres und transparenteres Europa: –– Das direkt gewählte Europäische Parlament spielt eine größere Rolle. Zwischen dem Europäischen Par- lament und dem Rat besteht bei einem Teil der EU- Rechtsvorschriften Gleichberechtigung. –– Stärkere Einbeziehung der nationalen Parlamente: Einhaltung des „Subsidiaritätsprinzips“: Die EU wird nur dann tätig, wenn auf der Ebene der EU bessere Ergebnisse erzielt werden. Dadurch und durch die Stärkung des Europäischen Parlamentes soll die EU insgesamt mehr Legitimität und Demokratie erfahren. –– Stärkeres Mitspracherecht der Bürger/innen: Dank der Bürgerinitiative können die EU-Bürger/innen die Kommission auffordern, neue politische Vorschläge zu unterbreiten. –– Die Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der EU werden klarer zugeordnet. –– Die Möglichkeit zum Austritt eines Mitgliedsstaates wird erstmals geschaffen. 2. Ein effizienteres Europa: –– Schnellere und effizientere Arbeitsmethoden: Die Be- schlussfassung mit qualifizierter Mehrheit im Rat wird auf neue Politikbereiche ausgedehnt. Ab 2014 wird die qualifizierte Mehrheit nach der doppelten Mehr- heit von Mitgliedsstaaten und Bevölkerung berech- net. Eine doppelte Mehrheit ist dann erreicht, wenn 55% der Mitgliedstaaten, die gemeinsam mindestens 65% der europäischen Bevölkerung auf sich verei- nen, zustimmen. –– Stabilere und schlankere Institutionen: Erstmals wird eine Präsidentin oder ein Präsident des Europäischen Rates gewählt. Ihre oder seine Amtszeit beträgt zwei- einhalb Jahre. Die Ergebnisse der Wahlen zum Euro- päischen Parlament werden sich direkt auf die Wahl des Kommissionspräsidenten auswirken. 3. Ein Europa der Rechte und Werte, der Freiheit, Soli- darität und Sicherheit: –– Demokratische Werte: Werte und Ziele, auf denen die EU aufbaut, werden betont. –– Bürgerrechte und Charta der Grundrechte: Den Be- stimmungen der Charta wird Rechtsverbindlichkeit verliehen. –– Stärkung der „4 Grundfreiheiten“ –– Solidarität zwischen Mitgliedstaaten: EU und Mit- gliedstaaten sollen solidarisch handeln im Falle eines Terror-Anschlages oder einer Naturkatastrophe oder von Problemen im Energiebereich. –– Mehr Sicherheit: Mehr Kompetenzen für die EU in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht, um eine bessere Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung zu erreichen. 4. Europa als Global Player. Zusammenfassung aller au- ßenpolitischen Instrumente der EU. Damit kann die EU zu seinen internationalen Partnern eine klarere Position einnehmen: –– Ein neuer Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, gleichzeitig Vizepräsident der Eu- ropäischen Kommission; ein neuer Europäischer Aus- wärtiger Dienst Q Charta der Grundrechte Würde des Menschen • Verbot der Todesstrafe • Verbot der Folter, Sklaverei, Zwangsarbeit so- wie des Klonens von Menschen Freiheiten • Recht auf Freiheit und Sicherheit • Achtung des Privat- und Familienlebens • Datenschutz • Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Religions-, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit • Recht auf Bildung • Recht zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben • Garantie der unternehmerischen Freiheit • Recht auf Eigentum Gleichheit vor dem Gesetz • Gleichheit von Männern und Frauen • Schutz der Rechte von Kindern, der älteren Menschen und Behinderter • Minderheitenschutz Solidarität • Umwelt- und Verbraucherschutz • Verbot von Kinderarbeit • Zugang zur Gesundheitsfürsorge und zu ärztli- cher Vorsorge Bürgerrechte • Aktives und passives Wahlrecht • Recht auf gute Verwaltung • Zugang zu Dokumenten Justizielle Rechte • Unabhängige und unparteiische Gerichte • Unschuldsvermutung • Verhältnismäßigkeit der Bestrafung • Verbot der Doppelbestrafung (Wiener Zeitung in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt (Hg.), Eine Verfassung für Europa. Die neuen Spielregeln für ein friedliches Miteinander, Wien, o. J., S. 20 f.) 153 5 Die Europäische Union Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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