Zeitbilder 7/8, Schulbuch

2. Die institutionellen Grundlagen Mit dem Vertrag von Maastricht 1993 entstand die Eu- ropäische Union. Drei große Bereiche sollten damals die EU bilden: –– Die Europäische Gemeinschaft (EG): Sie sollte sich von einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einer politi- schen Union wandeln. Ein Symbol dafür ist die „Uni- onsbürgerschaft“: Unionsbürgerinnen und -bürger können sich überall in der EU niederlassen und sind dort auch bei Kommunalwahlen wahlberechtigt. Gleichzeitig bleiben sie Bürgerinnen und Bürger ih- res eigenen Staates. Das Europäische Parlament (EP) wurde in seinen Rechten gestärkt: Es kann nun vom Rat der Europäischen Union beschlossene Gesetze zu Fall bringen. Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) hatte die vollständige Verwirklichung des Binnenmarktes mit gemeinsamer Währung zum Ziel. Diese einheitliche Währung – der Euro – wurde am 1. Jänner 2002 ein- geführt. Euromünzen und -banknoten ersetzten die nationalen Währungen vorerst in zwölf der (damals) fünfzehn Mitgliedstaaten der EU (Belgien, Deutsch- land, Griechenland, Spanien, Frankreich, Irland, Itali- en, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portu- gal und Finnland). –– Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) umfasst die regelmäßige Zusammenarbeit (Information und Abstimmung) in allen außen- und si- cherheitspolitischen Fragen von gemeinsamer Bedeu- tung bis hin zu gemeinsamen Aktionen der Westeuro- päischen (Verteidigungs-)Union (WEU). Die WEU soll „auf längere Sicht“ ausgebaut werden. –– Die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und In- neres. Hier geht es um ein gemeinsames Vorgehen auf Gebieten wie Asyl- und Einwanderungspolitik, polizeiliche Zusammenarbeit in der Bekämpfung des Terrorismus usw. 1997 unterzeichneten die nunmehr 15 Mitgliedstaaten der EU den Vertrag von Amsterdam, der 1999 in Kraft trat und den Vertrag von Maastricht revidierte. Er legte die Grundlage für die Weiterentwicklung der EU – so- wohl für die innere als auch für die Erweiterung der EU um neue Mitglieder. Im Mittelpunkt stand die Ausge- staltung der politischen Union, d. h. die Vertiefung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts durch die Intensivierung der Zusam- menarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Darüber hinaus sollten auch die Menschen- und Bürgerrechte in der Union gestärkt und die Entscheidungsprozesse in- nerhalb der EU transparenter und bürgernäher gestaltet werden. Die Organe der EU wurden durch den Vertrag von Amsterdam erneut reformiert, zum Teil gestärkt und effizienter gestaltet. Das Europäische Parlament erhielt mehr Gesetzgebungskompetenz und die Kontrollfunk­ tion wurde erheblich erweitert; es bleibt aber, im Ver- gleich etwa zu den Volksvertretungen in den EU-Mit- gliedstaaten, weiterhin ein relativ schwaches Organ. Im Jahr 2000 unterzeichnete der Europäische Rat der 15 Mitgliedstaaten den Vertrag von Nizza. In Kraft ge- treten ist diese Vereinbarung über die Veränderung des Vertrags von Maastricht 2003. Ziel und Zweck dieser Vereinbarung war es, die Handlungsfähigkeit der EU nach der sich abzeichnenden Osterweiterung 2004 auf 25 bzw. 2007 auf 27 Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Der Vertrag von Nizza brachte eine Reform der Institu- tionen der EU: –– Die Stimmengewichtung im Rat der EU (Minister- rat) wurde neu geordnet. Die vier großen Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Itali- en) besaßen je 29 Stimmen. Als nächstgrößere Grup- pe haben Spanien und Polen je 27 Stimmen. Dafür erhielten die kleinen Länder die Möglichkeit der Blo- ckade bei einer Reihe von Entscheidungen, bei denen die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der Staa- ten notwendig ist. –– Um die EU handlungsfähiger zu machen, wurden die Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat aus- geweitet. So wurde z. B. der Präsident der EU-Kom- mission nunmehr durch Mehrheitsvotum bestimmt; in der Asyl- und Einwanderungspolitik gilt seit Nizza die qualifizierte Mehrheit. –– Auch nach Erweiterungen soll jedes Land durch je einen Kommissär in der 20-köpfigen Europäischen Kommission vertreten sein. Dabei verzichteten die fünf größten Länder, die bisher je zwei Kommissare in dem Gremium stellen, auf je einen Sitz in der Kom- mission. Zusätzlich wurde ein Rotationssystem einge- führt. Das Scheitern einer Verfassung für Europa Ein Meilenstein der Europapolitik sollte im Jahr 2004 in Rom gesetzt werden: Die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Mitgliedstaaten und der drei Kandidatenlän- der Bulgarien, Rumänien und Kroatien unterzeichneten den einstimmig vom Europäischen Parlament ange- nommenen Vertrag über eine Verfassung für Europa. Damit sollte das politische System der Europäischen Union reformiert werden. Man wollte so eine einheitli- che Struktur und Rechtspersönlichkeit schaffen. Durch die Verfassung für Europa würden die vielen Einzelver- träge durch ein einziges Grundgesetz ersetzt. Dadurch sollten in Zukunft die bis dahin immer wieder notwen- digen Vertragsanpassungen nicht mehr notwendig sein. Zur Stärkung der Bürgerrechte wurde in die Verfassung eine Charta der Grundrechte, die beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sind, aufgenommen. Die Verfassung sollte 2006 in Kraft treten, aber zuvor sollte sie von jedem Unterzeichnerstaat nach dem in sei- ner nationalen Verfassung vorgeschriebenen Verfahren 152 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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