Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Einzelpersonen wenden können, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Die Anfänge des europäischen Einigungsprozesses Bereits nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit der europäischen Staaten geäußert. So gründete Graf Coudenhove-Kaler- gi die Paneuropäische Union. Diese hatte die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ zum Ziel. In der Zwischenkriegszeit bestimmten jedoch nationaler Hass und Misstrauen die Beziehungen der europäischen Staaten untereinander. Solche Gedanken hatten daher keine Chance auf Verwirklichung. Unter dem Eindruck der Schrecken des Zweiten Welt- krieges setzten sich schließlich jene durch, die für ein friedliches Zusammenleben eintraten. Die europäi- schen Nationen sollten durch freiwillige wirtschaftliche Verflechtungen so stark miteinander verbunden und voneinander abhängig gemacht werden, dass Kriege untereinander nicht mehr möglich wären. Frankreich, das misstrauisch das wirtschaftliche Wiedererstarken Deutschlands beobachtete, ergriff durch seinen Außen- minister Robert Schuman im Jahre 1950 die Initiative: Q Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Grö- ße der Bedrohung entsprechen. (...) Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, dass der jahr- hundertealte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird. (...) Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamt- heit der französisch-deutschen Kohlen- und Stahl- produktion einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offen steht. Die Zusammenlegung der Kohlen- und Stahlproduk- tion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundla- gen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern – die erste Etappe der europäischen Föderation – und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer sie gewesen sind. Die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, wird bekunden, dass jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutsch- land nicht nur undenkbar, sondern materiell unmög- lich ist. (EG-Kommission, Freigabe der historischen Archive der EG, 1983, S. 13) Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer schrieb dazu in seinen Erinnerungen: Q Es musste eine Lösung der deutschen Frage ge- funden werden, die unsere Nachbarn nicht beun- ruhigte und ihnen nicht das Gefühl dauernder Unsi- cherheit gab. Ich bin Deutscher, aber ich bin und war auch immer Europäer und habe als solcher gefühlt. Deshalb habe ich mich von jeher für eine Verstän- digung mit Frankreich eingesetzt, ohne die Europa nicht möglich ist. (Adenauer, Erinnerungen 1945–1953) Lest die beiden Quellen aufmerksam durch und unter- streicht die wichtigsten Begriffe. Benennt dann die wich- tigen Gründe und Motive von Schuman und Adenauer zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Zur Sorge um die Erhaltung des Friedens kamen zwei wei- tere Motive: Westeuropa fühl- te sich durch die ihre Macht ausweitende Sowjetunion bedroht. Zusätzlich benötigte man wegen des bevorstehen- den Endes des Marshallpla- nes neue Ideen zur Förderung des wirtschaftlichen Auf- schwungs. Die Bundesrepublik Deutsch- land stimmte durch ihren Bun- deskanzler Konrad Adenauer dem Schumanplan sofort zu. Schon 1951 wurde von Bel- gien, der BRD, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden der Pariser Ver- trag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion) geschlos- W Das Europäische Parlament in Straßburg, Frankreich (Fotografie 2009). 149 5 Die Europäische Union Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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