Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Rechtsquellen. Seit dem Beitritt zur EU hat das Gemein- schaftsrecht Vorrang vor dem nationalen Recht. • Die Bundespräsidentschafts- und in 6 Bundesländern die Bürgermeister/innen-Wahlen sind Persönlichkeitswahlen. Für Nationalrat, Landtag und Gemeinderat gilt das (Partei-) Listen-Wahlrecht. Mit dem Parteiengesetz von 1975 wird die öffentliche Finanzierung der Parteien geregelt; zusätzliche Einnahmen bilden u. a. Mitgliedsbeiträge und Spenden. • SPÖ und ÖVP zusammen erhielten bis Mitte der 1980er- Jahre neun von zehn Stimmen. Die Mitgliedszahlen sind in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Seit 1986 haben die beiden Parteien fast ständig an Stimmen verloren; der absolute Tiefstand wurde 2008 erreicht (SPÖ: 29%, ÖVP: 26%). • Seit Beginn der ersten Großen Koalition (1947) haben sich die ÖVP und SPÖ ihren Einfluss sowie die Führungspositionen in der Verwaltung und in der staatlichen Wirtschaft aufgeteilt (Proporz). • Die Verluste der Großparteien seit 1986 kamen vor allem der FPÖ zugute. Sie stieg zwischen 1986 und 1999 von einer Kleinpartei zur Mittelpartei (27%) auf – trotz Abspaltung des Liberalen Forums (1993). Als Regierungspartei „stürzte“ die FPÖ nach parteiinternen Konflikten zwischendurch wieder „ab“ (2002) und spaltete sich 2005 durch die Gründung des „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) nochmals. Seit 2006 gewann sie bei den Nationalratswahlen wieder deutlich an Stimmen. • Die Grünen entstanden aus der Umweltbewegung der 1970er-Jahre und kamen 1986 erstmals ins Parlament. Die Kleinpartei (bisher max. 11%; 2006) ist seither ständig im Nationalrat vertreten. • Das Wahlverhalten in Österreich hat sich durch die gesell- schaftlichen Veränderungen sehr gewandelt. Anstelle der ehemaligen Stammwähler/innen aus den „Kernschichten“ (z. B. Arbeiter/innen) gibt es heute immer mehr Wechsel- wähler/innen, die sich z. T. erst sehr spät vor einer Wahl entscheiden. • Der Beginn der Sozialpartnerschaft fällt zusammen mit der Bildung der ersten Großen Koalition (1947). Die Spitzenfunk- tionäre der Verbände üben sowohl innerhalb ihrer Parteien bzw. für ihre Parteien wichtige Funktionen (z. B. als Parla- mentarier/innen) aus. • Die Sozialpartner sind in vielen verschiedenen Kommissio- nen und Beiräten der staatlichen Verwaltung sowie in den Sozialversicherungen vertreten. • Für die umfangreichen Verwaltungsaufgaben des Staates in Bund, Ländern und Gemeinden sind die öffentlich Be- diensteten verantwortlich. Die Verwaltung ist durch eine Fülle von Gesetzen und Verordnungen geregelt. Gegen die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden gibt es Berufungs- möglichkeiten bis zu den Höchstgerichten (Verwaltungs-, Verfassungsgerichtshof). Der Staat ist aber auch an gewinno- rientierten Wirtschaftsbetrieben beteiligt (z.B. ÖIAG). • Die ca. 2 300 österreichischen Gemeinden sind Organe der „Selbstverwaltung“: Sie üben einerseits für Bund und Län- der Verwaltungsaufgaben aus (z. B. die Durchführung von Wahlen) und sind andererseits für alle Aufgaben im „eigenen Wirkungsbereich“ zuständig (z. B. Müllabfuhr, Kindergarten). • Formen der direkten Demokratie haben besonders auf kommunaler Ebene große Wirksamkeit. Die verschiedenen sozialen Bewegungen haben seit Beginn der 1970er-Jahre in ganz Österreich zur Gründung von Bürgerinitiativen und -listen geführt, die ihre politischen Interessen z.T. auch auf Länder- und Bundesebene artikulieren. Sie sind wesentlicher Bestandteil der so genannten Zivilgesellschaft. • Eine gesetzliche Basis hat die direkte Demokratie in Volksbe- gehren, Volksbefragung und Volksabstimmung. • In einem modernen Rechtsstaat wie Österreich unterliegt das gesamte öffentliche und private Leben Rechtsnormen. Die Rechtsprechung ist ausschließlich Bundessache und liegt bei den Gerichten. Neben unabhängigen und unabsetzbaren Richterinnen und Richtern werden in bestimmten Fällen auch Vertreter aus dem Volk in die Rechtsprechung einbezogen. • Kontrollorgane von Gesetzgebung und Vollziehung sind in Österreich der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, der Rechnungshof und die Volksanwaltschaft. Auf EU-Ebene sind das der Europäische Gerichtshof, der Europäische Gerichts- hof für Menschenrechte und der Europäische Rechnungshof. Grundbegriffe Austro-Keynesianismus  Die Regie- rung Kreisky ging zur Behebung der Wirt- schaftskrise („Erdölschock“) eine höhe- re Staatsverschuldung zugunsten von Vollbeschäftigung ein. Diese Art der Kri- senbekämpfung („deficit spending“) hat- te der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883–1946) schon während der Weltwirtschaftskrise empfohlen. Entnazifizierung  Schon 1945 begann die strafrechtliche Verfolgung jener Öster- reicher/innen, die als Kriegsverbrecher, belastete und minderbelastete National- sozialisten an den Verbrechen des Hitler- regimes mitschuldig waren. Sie endete aber bald mit einer umfassenden Amnes- tie. Auch viele Entschädigungsfragen der NS-Opfer blieben lange ungelöst. Moskauer Deklaration  Die alliierten Außenminister (USA, GB, UdSSR) erklären im Oktober 1943 als Ziel, ein vom Natio- nalsozialismus befreites, unabhängiges Österreich wiederherstellen zu wollen. neoliberale Politik  Darunter versteht man u.a. den Vorrang des „freien Mark- tes“, ein „Schlankwerden“ des Staates sowie eine Senkung der Staatsausgaben: durch Einsparung von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst; durch weitere Pri- vatisierung bzw. Verkauf von Staatsbe- trieben; durch Senkung der staatlichen Ausgaben z.B. für die Sozialversicherung (Pensionen etc.). Neutralität  Das Völkerrecht unter- scheidet zwischen einer temporären und dauernden Neutralität. Die „immerwäh- rende Neutralität“ bedeutet für Öster- reich, dass es in Zukunft keine militäri- schen Bündnissen beitreten und auch keine Errichtung von militärischen Stütz- punkten zulassen wird. Sozialpartnerschaft  Damit bezeich- net man die politische Zusammenarbeit der „Verbände“: Als Arbeitgeber/innen- verbände sind das die ÖVP-dominierten Wirtschafts- und Landwirtschaftskam- mern sowie die Vereinigung der österrei- chischen Industrie. Auf Arbeitnehmer/ innenseite sind das die SPÖ-dominierten Arbeiterkammern und der Österreichi- sche Gewerkschaftsbund. 145 4 Österreich – die Zweite Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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