Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Österreich – die Zweite Republik Die 2. Republik von 1945 bis heute • Noch vor dem Kriegsende kam es im April 1945 zur Neugrün- dung der Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ sowie zur Gründung des ÖGB. Am 27. April 1945 proklamierte Staatskanzler Karl Renner die Unabhängigkeit Österreichs. • Österreich war von vier alliierten Mächten besetzt. Die „Al- liierte Kommission für Österreich“ schränkte die Arbeit der österreichischen Regierungen stark ein. • Die ersten Jahre nach Kriegsende waren geprägt vom Kampf gegen den Hunger, dem Aufbau der Infrastruktur und der Stabilisierung der Währung. Nach der Währungsreform (1947) trat die KPÖ aus der (Konzentrations-)Regierung aus. Von 1947 bis 1966 regierte eine große Koalition von ÖVP und SPÖ. • Der wirtschaftliche Wiederaufbau war sehr schwierig: Viele Betriebe wiesen schwere Kriegsschäden auf und die Sowjets beschlagnahmten das gesamte „deutsche Eigentum“ und unterstellten es einem eigenen Wirtschaftskörper (der USIA). Mit zwei Verstaatlichungsgesetzen (1946/47) wurde der Zugriff der Besatzungsmächte auf die Großunternehmen verhindert. • Mit der Einbeziehung in den Marshallplan (1948–1951) be- gann in Österreich ein bedeutender Wirtschaftsaufschwung. • Zu einer schweren innenpolitischen Krise führte der Aufruf der KPÖ zum Generalstreik im Oktober 1950. Die Regierung und die Führung des ÖGB waren dagegen. Polizei und Räum- kommandos gewerkschaftlicher Gegengruppen beendeten den Streik nach zwei Tagen. • Nach dem Tod Stalins (1953) wurde mit dem „Moskauer Memorandum“ (April 1955) der entscheidende Durchbruch erzielt: Die Sowjetunion versprach den Staatsvertrag, und Österreich versprach die immerwährende Neutralität. Am 15. Mai 1955 erfolgte die Unterzeichnung des Staatsvertrages im Wiener Belvedere. Am 26. Oktober 1955 beschloss der Nationalrat das Bundesverfassungsgesetz über die immer- währende Neutralität. • Die Zeit der Alleinregierungen in Österreich begann mit der absoluten Mehrheit für die ÖVP (1966). Es kam zur Senkung des Wahlalters auf 19 Jahre und zur schrittweisen Einfüh- rung der 40-Stunden-Woche. • In der folgenden Ära Kreisky (1970–1983) wurde u.a. die Volksanwaltschaft eingerichtet. Schulfreifahrt, Gratisschulbü- cher, Heirats- und Geburtenbeihilfe, eine kürzere Wehrpflicht, der Zivildienst sowie das Gleichbehandlungsgesetz, ein neu- es Arbeitsverfassungsgesetz, ein neues Familien- und Straf- recht (u. a. mit der „Fristenlösung“), der vierwöchige Mindest- und der Pflegeurlaub wurden eingeführt. • Nach der ersten Volksabstimmung der Zweiten Republik wur- de im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks Zwenten- dorf das „Atomsperrgesetz“ beschlossen (1978). • Nach einer dreijährigen Kleinen Koalition (SPÖ-FPÖ) kam es wieder zu 13 Jahren Großer Koalition (Vranitzky I–V, 1986– 1997; Klima 1997–1999): Diese Zeit war parteipolitisch gekennzeichnet von schweren Verlusten der ÖVP und SPÖ einerseits und vom Aufstieg der FPÖ unter Haider anderer- seits (1986–1999). Für kurze Zeit zog das LIF (1993–1999) in den Nationalrat ein, die Grünen sind im Nationalrat dauer- haft seit 1986 vertreten. • Mit einer Zweidrittelmehrheit entschieden sich die Österrei- cherinnen und Österreicher in einer Volksabstimmung für den EU-Beitritt im Jahr 1995. • 1999 trat Österreich der Europäischen Währungsunion bei und führte im Jahr 2002 die Euro-Währung ein. • Die erstmaligen ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierungen (Schüssel I u. II) brachten eine politische Wende: Anstelle einer kon- sensorientierten Verhandlungsdemokratie kam es zu einer konfliktorientierten Wettbewerbsdemokratie: Sie führte zu schärferen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Gegnern und drängte den politischen Einfluss der Sozialpart- ner zurück. • Die neoliberale Wirtschaftspolitik führte erstmals und ein- malig zu einem positiven Budget (2001), doch die Gesamt- schuld des Staates und auch die Arbeitslosenquote blieben relativ hoch. • Seit 2007 erfolgte eine Rückkehr zu Großen Koalitionen. Sie war gleich zu Beginn begleitet von einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise (2007/08) sowie einer Schulden- und Währungskrise im Euro-Raum. Innenpolitische Dauerthemen sind der Abbau der Staatsschulden und des Budgetdefizits, das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosigkeit. • Die Staatsausgaben machen, ähnlich wie in anderen Indust- rieländern, mehr als die Hälfte des BIP aus (2010: 53%). • Österreich ist innerhalb von 50 Jahren von einem armen zu einem der reichsten Staaten der Welt aufgestiegen. • 1955 trat Österreich der UNO und 1956 dem Europarat bei. • Österreich betrieb seither eine aktive Neutralitätspolitik zwi- schen den Militärblöcken: u. a. schickte es oftmals Soldaten zu Friedenseinsätzen der UNO. Seit 1979 ist Wien neben New York und Genf UNO-Konferenzstadt. • Seit den 1990er Jahren gibt es in Österreich immer wieder eine politische Diskussion um die Beibehaltung der Neutrali- tät und einen möglichen Beitritt zur NATO sowie um die Fra- ge: Beibehaltung der Wehrpflicht oder Berufsheer. • Österreich ist Mitglied der OSZE, hat als EU-Mitglied Beo- bachterstatus im Defensivbündnis der „Westeuropäischen Union“ (WEU) und ist 1995 auch der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ beigetreten. Das politische System • Österreich ist eine Demokratie nach westlichem Muster mit klaren Regeln der Machtbestellung. Jene Partei/en, die bei den Nationalratswahlen die Mehrheit der 183 Mandate erlangt/erlangen, bilden im Normalfall die Regierung. Sie wird laut Verfassung vom Bundespräsidenten ernannt. In die zweite Kammer des Parlaments, den Bundesrat, werden die Abgeordneten entsprechend den Ergebnissen der Landtags- wahl entsandt. Das „freie Mandat“ der Abgeordneten wird durch den Klubzwang eingeschränkt. • Die Aufgaben des Parlaments sind die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierung. Da sich die Regierung normalerwei- se auf eine Mehrheit im Nationalrat stützt, fallen diese Aufga- ben vor allem den Oppositionsparteien, dem Rechnungshof, dem Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof sowie den Medien zu. • Die österreichische Bundesverfassung von 1920/29 bildet die rechtliche Grundordnung des Staates. Für wesentliche Verfassungsänderungen bedarf es einer Volksabstimmung (z. B. beim EU-Beitritt). Die Verfassung wurde im Laufe der Zeit mehrfach ergänzt und besteht aus einer Vielzahl von 144 Basiswissen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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