Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Tätigkeitsbericht an den Nationalrat (= „Rechnungs- hofbericht“). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen RH und Bundes- oder einer Landesregierung über den Umfang der Prüfungstätigkeit entscheidet der VfGH. Die öffentlichen Prüfberichte des RH (noch mehr je- doch die unveröffentlichten „Rohberichte“, die durch Indiskretion immer wieder in die Medien kommen) sor- gen in der Öffentlichkeit vor allem dann für Aufsehen, wenn Unzulänglichkeiten aufgedeckt werden. Aller- dings kann der RH Fehler und Missstände nur aufde- cken – die notwendigen Maßnahmen müssen von den zuständigen Organen und Unternehmen selbst getrof- fen werden. Die Volksanwaltschaft Aus der Ära Kreisky stammt die nach dem schwe- dischen Vorbild des „Ombudsmannes“ geschaffene Volksanwaltschaft. Sie setzt sich aus drei vom National- rat auf sechs Jahre gewählten „Volksanwälten“ zusam- men – und zwar je ein/e Vertreter/in der drei stärksten Parteien. Diese können einmal wiedergewählt werden und sind in ihrer Amtsausübung unabsetzbar und un- abhängig. Die Volksanwaltschaft ist ein Organ der gesetzgeben- den Gewalt zur Überprüfung von Missständen in der Verwaltung und damit auch zum Schutz der Bürgerin und des Bürgers vor der „Obrigkeit“: Q Art. 148 a (1) B-VG Jedermann kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Missstän- de in der Verwaltung des Bundes einschließlich des- sen Tätigkeit als Träger von Privatrechten beschwe- ren, sofern er von den Missständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Jede solche Beschwerde ist von der Volksanwaltschaft zu prüfen. (...) (2) Die Volksanwaltschaft ist berechtigt, von ihr ver- mutete Missstände (...) von Amts wegen zu prüfen. Als Missstand gilt auch unfreundliches Verhalten von Beamtinnen und Beamten. Alle derartigen Beschwer- den müssen von der Volksanwaltschaft geprüft werden. Bei dieser Arbeit muss sie von allen staatlichen Organen unterstützt werden: Ihr gegenüber besteht keine Amts- verschwiegenheit, sondern Pflicht zur Auskunftsertei- lung und Akteneinsicht. Die Volksanwaltschaft kann mit ihren Prüfberichten jedoch auch nur Missstände aufdecken und Empfehlungen aussprechen, aber keine Anordnungen treffen. Die betroffene Verwaltungsstelle ist aber verpflichtet, dieser Empfehlung entweder nach- zukommen oder zu begründen, warum sie es nicht tut. Die Inanspruchnahme dieses Kontrollorgans hat im Lau- fe der Jahre deutlich zugenommen: 1990 wurden etwa 5 700 Beschwerden an die Volksanwaltschaft gerichtet. Im Jahr 2010 waren es schon 15 265, davon richteten sich 11 198 gegen die öffentliche Verwaltung. Der Oberste Gerichtshof (OGH) Der OGH ist die höchste Instanz in Straf- und Zivilrechts­ sachen. Er kann jedoch nur unter gewissen Vorausset- zungen angerufen werden. In der Strafgerichtsbarkeit hängt dies von der Schwere des Delikts ab (z. B. bei Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile eines Schöf- fen- oder Geschworenengerichts), in der Zivilgerichts- barkeit von der Höhe des Streitwerts. Der OGH ist auch oberstes Dienst- und Disziplinargericht für Richterinnen und Richter. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) Der EuGH mit seinem Sitz in Luxemburg fällt Entschei- dungen bei Streitigkeiten über die Auslegung und An- wendung des Gemeinschaftsrechts. Das betrifft: –– Streitfälle zwischen Mitgliedstaaten oder EU-Orga- nen; –– Streitigkeiten zwischen Gemeinschaftsorganen und Individuen; –– „Vorabentscheidungen“: Wenn nationale Gerichte bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht Zweifel haben, können sie diese Rechtsfragen dem EuGH zur Entscheidung vorlegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Dieser Gerichtshof mit Sitz in Straßburg überwacht die Einhaltung der von der Europäischen Menschenrechts- konvention gewährleisteten Grund- und Freiheitsrech- te. Er behandelt dabei Beschwerden von –– Staaten gegen andere Mitgliedstaaten; –– Einzelpersonen oder Organisationen gegen Mitglied- staaten. Der Europäische Rechnungshof Er ist – ähnlich wie der RH in Österreich – für die Geba- rungs-Kontrolle auf EU-Ebene zuständig. Der EU-Rech- nungshof überprüft alle Organe der EU sowie alle EU- Beihilfen an die Mitgliedsländer: Immerhin betrug das EU-Budget für den Zeitraum zwischen 2007 und 2013 eine Billion Euro. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Welche Fälle für die Volksanwaltschaft sind dir aus dem Fernsehen oder aus der persönlichen Umgebung bekannt? 2. Fasse die verschiedenen Kontrollorgane von Gesetz- gebung und Verwaltung auf nationaler und EU-Ebene zusammen. W Im Bild (v.li .): Peter Resetarits, Volksanwalt Dr. Peter Kostelka. In der ORF-Sen- dung „Bürgeran- walt“ vertreten die Volksanwältinnen und Volksanwälte die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger (Fotografie, August 2007). 143 4 Österreich – die Zweite Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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