Zeitbilder 7/8, Schulbuch

17. Die Kontrolle der Staatsgewalten, nationale und internationale Gerichtshöfe In der Bundesverfassung nimmt die Kontrolle der Staatsgewalten einen wichtigen Platz ein. Realpolitisch wenig wirksam ist dabei die Kontrolle der Regierung durch den Nationalrat (vgl. S. 126). Sehr wichtige Kon- trollorgane von Gesetzgebung und Vollziehung sind jedoch der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, der Rechnungshof und die Volksanwaltschaft. Von der Verfassung her sind sie unabhängig. Doch in der Ver- fassungswirklichkeit spiegelt sich auch hier die öster- reichische Parteiendemokratie wider: Denn die perso- nelle Besetzung auch dieser Kontrollorgane erfolgt im Wesentlichen durch die gewählten, Macht ausübenden Politikerinnen und Politiker und indirekt damit auch durch die Parteien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Bundesregierung und Nationalrat haben das Vor- schlagsrecht für elf der vierzehn Mitglieder des VfGH (für die drei übrigen hat es der Bundesrat). Die vom Bundespräsidenten ernannten Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter setzen sich aus Verwaltungs- beamtinnen und Verwaltungsbeamten, Richterinnen und Richter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und Universitätsprofessorinnen und Universitätspro- fessoren zusammen. Die Hauptaufgabe des VfGH liegt in der Überprüfung von Gesetzen, Verordnungen und Staatsverträgen auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Er fällt das Urteil bei Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern (z. B. wer welches Gesetz erlassen darf), zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, bei der Anfechtung von Wahlen, Volksabstimmungen oder Volksbegehren und als „Staatsgerichtshof“ bei Minis- teranklagen. Auch für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger ist der VfGH wichtig: Er entscheidet nämlich über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungs- behörden, wenn eine Verletzung der (verfassungsmäßig garantierten) Grundrechte oder die Anwendung rechts- widriger Gesetze oder Verordnungen eingeklagt wird. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Der VwGH ist zuständig für rechtliche Kontrolle der Verwaltung und sorgt für den Rechtsschutz der oder des Einzelnen gegenüber der Hoheitsverwaltung. Er entscheidet vor allem bei Beschwerden über: –– die Rechtswidrigkeit von Maßnahmen oder Beschei- den der Verwaltungsbehörden; –– die Säumnis der Behörden bei der Bescheidausstel- lung; –– die falsche Auslegung des behördlichen Ermessens- spielraums. In Asylverfahren ist seit Juli 2008 nicht mehr der VwGH zuständig, stattdessen wurde ein eigener Bundesasyl- gerichtshof eingerichtet. Der Rechnungshof (RH) Der Rechnungshof ist ein Kontrollorgan der gesetzge- benden Gewalt und untersteht organisatorisch dem Nationalrat. Seine Präsidentin oder sein Präsident wird vomNationalrat für eine einmalige Amtszeit von 12 Jah- ren gewählt (und kann jederzeit abgewählt werden). Die Hauptaufgabe des RH ist die so genannte Geba- rungs-Kontrolle von Bund, Ländern, Gemeinde(-ver- bänden), Sozialversicherungen, staatlich verwalteten Fonds und allen Wirtschaftsunternehmungen, an denen der Staat mit mindestens 50% beteiligt ist. Unter die Gebarungsüberprüfung fällt dabei nicht nur die rechne- rische Kontrolle von Einnahmen und Ausgaben dieser Institutionen, sondern auch ihre Überprüfung auf Spar- samkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der RH wird im Regelfall von sich aus tätig. Er kann aber auch zu Sonderprüfungen herangezogen werden (z. B. wenn die Bundesregierung oder ein Drittel der Natio- nalratsabgeordneten dies verlangen). Jährlich erstellt der RH den „Bundesrechnungsabschluss“ und einen W Die 14 Verfassungsrichter/innen können ihre Funktion bis zum 70. Lebensjahr ausüben (Fotografie, September 2011). W Die ehemalige böhmische Hofkanzlei in Wien am Judenplatz (der Ur- sprungsbau stammt von Johann Bernhard Fischer von Erlach, 1708– 1714) ist heute Sitz des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes (Fotografie, August 2007). 142 Nur zu Prüfz ecken – Eigentum des Verlags öbv

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