Zeitbilder 7/8, Schulbuch

recht eine zehnjährige Freiheitsstrafe nicht übersteigt. –– Die vorläufige Einstellung des Gerichtsverfahrens mit einer Probezeit von zwei Jahren. Wenn es zu einem Strafverfahren kommt, haben ju- gendliche Täter/innen immerhin noch die Chance eines „Schuldspruchs ohne Strafe“. Vor allem der „Außergerichtliche Tatausgleich“ hat sich auf die Resozialisierung gefährdeter Jugendlicher sehr positiv ausgewirkt. Deshalb wird er im Rahmen der Di- version seit dem Jahr 2000 auch im Erwachsenenstraf- recht angewendet. Die Zahl der Häftlinge und der Straftaten steigt 1989 wurden in Österreich etwa 423 000 „gerichtlich strafbare Handlungen“ angezeigt (bei einer Aufklä- rungsquote von knapp 50 Prozent). Im Jahr 2004 waren es bereits 643 648 Fälle (davon 38 936 Verkehrsdelik- te) Nur 38 Prozent aller angezeigten Straftaten wurden auch aufgeklärt. Immer mehr Straftaten wurden seit 2000 durch die Di- version geregelt (bereits 55 291 Fälle im Jahr 2004). Im selben Jahr wurden von österreichischen Gerichten 45 185 Personen (um 8 Prozent mehr als 2003) rechts- kräftig verurteilt. Österreich liegt mit der Anzahl seiner Strafgefangenen (relativ zu seinen Einwohnerinnen und Einwohnern) noch immer im europäischen Spitzenfeld. Diese Situa- tion hat sich auch dadurch nicht wesentlich verbessert, dass die Verurteilten bei guter Führung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit mit einer bedingten Entlassung rechnen dürfen. Im Jahr 2004 befanden sich 9 043 Personen in den ös- terreichischen Justizanstalten (davon 2 273 in Untersu- chungshaft). Wegen der Überfüllung der Gefängnisse und der damit verbundenen Kosten kam es seit 2006 auch zu einer anderen Form der Beaufsichtigung von Verurteilten außerhalb von Haftanstalten: zur Einfüh- rung der elektronischen Fußfessel. Ausgesprochene Strafen im Jahr 2004 Jugendliche junge Erwachsene Insgesamt 45 185; davon: 3 336 5 500 davon strafbare Handlungen u. a.: gegen Leib und Leben 624 (19 %) 1 397 (25 %) gegen fremdes Vermögen 1 489 (45 %) 1 856 (34 %) nach dem Suchtmittelgesetz 809 (24 %) 1 472 (27 %) W Sicherheitsbericht 2004, S. 371, 375 u. 393. Strafvollzug „im Geist der Menschenwürde“? Seit 1992 gibt es ein neues Strafvollzugsrecht „im Geist der Menschenwürde“. Es brachte den Häftlingen einige Verbesserungen und soll ihre Resozialisierungschancen heben: –– Höhere Arbeitslöhne (Stundenlohn vor 1992: zwi- schen 22 und 36 Cent; 2005: zwischen 4,18 Euro für leichte Hilfsarbeiten und 6,27 Euro für eine Vorar- beiterin oder einen Vorarbeiter): Damit können die Gefangenen schon während der Haftzeit mit Scha- densgutmachung, Schuldentilgung und Unterhalts- zahlungen beginnen und sich eine Starthilfe für den Wiedereinstieg in die Gesellschaft ansparen. –– Einbeziehung der Häftlinge in die Arbeitslosen- und Sozialversicherung. –– Erleichterung und Erweiterung der Häftlingsbesuche (mindestens einmal pro Woche eine halbe Stunde; einmal in sechs Wochen mindestens eine Stunde). –– Erleichterungen bei Ausgängen vor der Haftentlas- sung, zur Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit. –– Erweiterung der Berufsausbildung vor allem im Ju- gendstrafvollzug. –– Möglichkeiten sinnvoller Freizeitgestaltung (Sport, Lesen, Radiohören und Fernsehen). Fragen und Arbeitsaufträge 1. Erkläre den Unterschied zwischen öffentlichem und pri- vatem Recht sowie die Funktionen des Strafrechtes. 2. Recherchiert im Internet, welches Strafausmaß das österreichische Strafrecht für folgende Straftaten vorsieht: (leichter, schwerer) Diebstahl (§127, 128 StGB), Datenbe- schädigung (§126a StGB), Missbrauch von Computerpro- grammen (§126c StGB), Raufhandel (§91 StGB), Verge- waltigung (§201 StGB), Suchtmittelbesitz (§27, 28 SMG). Erörtert und beurteilt das unterschiedliche Strafausmaß. 3. Was wisst ihr über den österreichischen Strafvollzug? Geht es den Häftlingen in den Anstalten „zu gut“, „zu schlecht“ oder „gut genug“? Wie sinnvoll sind eurer Mei- nung nach Freiheitsstrafen? Gibt es Alternativen? W Seit 2006 wird die elektronische Fußfessel bei so genannten Freigän- gern (gegen Ende der Haftzeit) probeweise eingesetzt. Es sollten damit viele Strafgefangene früher als vorgesehen aus den ohnehin schon überfüllten Gefängnissen entlassen und auf diese Weise überwacht werden. Fotografie v. Herbert Neubauer, 3. 12. 2010. 141 4 Österreich – die Zweite Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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