Zeitbilder 7/8, Schulbuch

schaft für Sport und Körperkultur Österreichs], ARBÖ [Auto-, Motor- und Radfahrverbund Österreichs], Na- turfreunde bzw. Österreichischer Akademikerbund, Schülerunion sowie die Sport-UNION). Die beiden Großparteien weisen im internationalen Vergleich auch heute noch einen überdurchschnittlich hohen Organisationsgrad (= Anteil der Mitglieder an den Wählerstimmen in Prozent) auf. Doch die Parteimit- gliedschaften haben in den letzten drei Jahrzehnten fast um die Hälfte abgenommen. Im Jahr 2006 waren etwa 900 000 Personen (ca. 15 % der Wahlberechtigten) Mit- glieder einer politischen Partei – davon war ein Drittel älter als 60 Jahre. Die Gründe für die hohe Zahl der Mitgliedschaften la- gen einerseits im historisch gewachsenen politischen „Lagerdenken“, andererseits im Faktor „Protektion“: L In Österreich werden führende Positionen in vielen, nicht unmittelbar politischen Bereichen (Wirtschaft, Schule, Kultur etc.) direkt oder indirekt von den Parteien besetzt. (Pelinka, Das politische System Österreichs, 1981, S. 294) Der „Parteien-Proporz“ Seit dem Beginn der Zweiten Republik, verstärkt noch seit Bildung der ersten Großen Koalition (1947) sicher- ten sich ÖVP und SPÖ ihren Einfluss in allen staatlichen und staatsnahen Bereichen. Sie teilten alle Führungspo- sitionen untereinander auf oder besetzten sie doppelt (= Proporzdemokratie), auch um sich gegenseitig kontrol- lieren zu können. Schon Bundeskanzler Klaus kritisierte 1971 im Rück- blick jedoch die Auswüchse dieses Systems: Q Im Proporz fand die Praxis der totalen Machter- greifung im Staat durch die Koalitionsparteien ihre Fortsetzung, Stellenbesetzungen, Subventionen, ja sogar Regierungs- und Beamtendelegationen, die ins Ausland reisten, mußten im Verhältnis 1:1 besetzt werden. (Klaus, Macht und Ohnmacht in Österreich, zit. nach Rathkolb, Die pa- radoxe Republik, 2011, S. 53f.) Besonders auffällig wurde der Proporz bei der Beset- zung der Führungspositionen im ORF, was zum ersten Volksbegehren der Zweiten Republik führte (1964). Dieses Proporzsystem setzte sich auch nach „unten“ fort: In verschiedenen Institutionen bzw. Betrieben ist z. T. bis heute zumindest eine Parteinähe auch für An- stellungen in mittleren und niedrigen Positionen erfor- derlich. Das Ende der Großen Koalition 1999 bedeutete nicht das Ende des Proporzsystems. So meinte der His- toriker Oliver Rathkolb: L In der ÖVP-FPÖ-Koalition 2000 bis 2006 war „Proporz neu“ angesagt; das heißt, daß vor allem Beamte, die der SPÖ zugerechnet werden, Kompe- tenzverluste zu gewärtigen haben. In Aufsichtsrä- ten und Vorständen der ÖIAG wurden umfassende Personalwechsel durchgeführt. Zum Unterschied von den 1970er Jahren (…) wurde nun eine starke politische Partei, die SPÖ, deutlich ausgeklammert (…) unabhängige Manager/innen ohne ÖVP- oder FPÖ-Sympathien werden (…) kaum berücksichtigt. In diesem Zusammenhang spielt die Frage des Par- teibuchs weniger eine Rolle als die konkrete ideolo- gische Nähe. (Rathkolb, Die paradoxe Republik, 2011, S. 55) Die Parteienkonzentration nimmt ab – wohin steuern Österreichs Parteien? Außergewöhnlich hoch im europäischen Vergleich war zwischen 1956 bis 1983 die Konzentration der Wählerstimmen auf SPÖ und ÖVP: „Rot“ und „Schwarz“ erhielten zusammen zwischen 89 und 93 Prozent. Im Jahr 1986, als die Grün-Al- ternativen den Einzug in den Nationalrat schafften, nahm der Stimmenanteil der Großparteienerstmalsmerklichab (84%). Er sank bei den Nationalratswahlen 1994 zum ersten Mal unter die Zweidrittelmar- ke (63 Prozent), im Jahr 1999 weiter auf 60 Prozent und erreichte 2013 mit 50,8 Prozent einen absoluten Tiefstand seit der Gründung der Zweiten Republik. Die ÖVP war dabei vom Stimmenrück- gang stärker betroffen als die SPÖ: 1999 lag sie mit 27 Prozent erstmals nur an 3. Stelle. Nach einem großen Wahlerfolg im Jahr 2002 erlebte die Volkspartei 2013 50 KPÖ SPÖ SPÖ ÖVP ÖVP SPÖ FPÖ SPÖ SPÖ ÖVP BZÖ FPÖ ÖVP ÖVP SPÖ ÖVP 40 30 20 10 0 1945 1949 1953 1956 1959 1962 1966 1970 1971 1975 1979 1983 1986 1990 1994 1995 1999 2002 2006 2008 in Prozent SPÖ ÖVP FPÖ Grüne KPÖ LIF BZÖ Fritz Nationalratswahl-Ergebnisse und Regierungskonstellationen in Österreich 1945 bis 2008 131 4 Österreich – die Zweite Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=