Zeitbilder 7/8, Schulbuch

12. Die Parteien der Zweiten Republik Die Vielfalt der Parteien garantiert die Demokratie Q Die moderne Demokratie beruht geradezu auf den politischen Parteien, deren Bedeutung umso größer ist, je stärker das demokratische Prinzip ver- wirklicht ist (…). Nur Selbsttäuschung und Heuche- lei kann vermeinen, daß Demokratie ohne politische Parteien möglich sei. Die Demokratie ist notwendig und unvermeidlich ein Parteienstaat. (Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 1929, 19f.) Obwohl die Vertreter der politischen Parteien sowohl für die Gründung der Ersten wie auch der Zweiten Re- publik verantwortlich waren, wurden die Parteien erst 1975 gesetzlich verankert: Q Artikel I (Verfassungsbestimmung). § 1 (1) Die Existenz und Vielfalt politischer Partei- en sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich. (…) (3) Die Gründung politischer Parteien ist frei. (...) Ihre Tätigkeit darf keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden. Artikel II § 2 (1) Jeder politischen Partei sind für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit auf ihr Verlangen Förderungs- mittel (...) zuzuwenden. („Parteiengesetz“ vom 2. Juli 1975, Bundesgesetzblatt Nr. 404) Bezüge der Politiker (gültig von 2008 bis 2011) die neuen Bezüge In % vom Bezug einer/s Nationalratsabgeordneten Betrag in € für den Bundespräsidenten 280 22848 für den Bundeskanzler 250 20400 für den Vizekanzler bei Betrauung mit der Leitung eines Ressorts 220 17952 für den Präsidenten des Nationalrates 210 17136 für eine/n Bundesminister/in 200 16320 für ein Mitglied des Nationalrates 100  8160 für ein von Österreich entsandtes Mitglied des Europäischen Parlaments 100 8160 für ein Mitglied des Bundesrates  50  4080 für eine/n Lan- deshauptfrau/ Landeshauptmann 200 16320 für ein Mitglied der Landesregierung 170 14688 für einen Abgeordne- ten zum Landtag 80  6528 W „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“, 13. Mai 2008. Über die innere Organisation einer Partei sagt das „Par- teiengesetz“ nichts aus: In ihrer Grundstruktur sind die Parteien demokratisch aufgebaut. Normalerwei- se werden die Funktionäre von den Parteimitgliedern gewählt, und die Parteispitze stellt sich regelmäßig an Parteitagen der Wahl. Doch gerade an der Parteispitze bilden sich immer wieder Gruppierungen heraus, deren „Machtausübung“ von den Mitgliedern an der Basis nur schwer kontrolliert werden kann. Diese Funktionärs­ elite kann nämlich durch die gesetzlich garantierten öffentlichen „Förderungsmittel“ ziemlich eigenständig handeln. Das macht sie weniger von Mitgliedsbeiträgen und Spenden abhängig. Parteienförderung und Politikergehälter Die Höhe der staatlichen Förderung ist abhängig von der jeweiligen Anzahl der Abgeordneten, die für ihre Parteien im Parlament und in den Landtagen sitzen. Die Parteienfinanzierung durch Bund und Länder hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht (1979: 31 Mio. Euro; 2009: 185 Mio. Euro) und ist im Vergleich mit an- deren europäischen Ländern ein Spitzenwert. Dennoch reichen diese Gelder normalerweise nicht aus, um die Ausgaben für Personalkosten, Wahlkämpfe, Öffentlich- keitsarbeit, Parteiakademien etc. zu decken. Gerade für die „Mitgliederparteien“ ÖVP und SPÖ (gilt nicht für FPÖ/BZÖ und Grüne) sind daher die regelmäßigen Bei- träge ihrer Mitglieder eine wichtige Einnahmequelle. Auch die Abgeordneten selbst finanzieren ihre eigenen Parteien mit, indem sie einen Teil ihres Politikereinkom- mens als „Parteisteuer“ abliefern. Schließlich gibt es noch Parteispenden von Unternehmen und Verbänden. Alle diese Zuwendungen ermöglichen es den Parteien, ihre Kosten abzudecken. Seit Jahrzehnten werden die Politikergehälter, die vie- len Menschen zu hoch erscheinen, öffentlich kritisiert. Seit 1997 gibt es eine einheitliche „Bezügepyramide“, welche die Gehälter der Landes- und Bundespolitiker/ innen regelt (s. Grafik). Wegen der Wirtschaftskrise 2008 wurden die Politikerbezüge bis 2011 „eingefro- ren“. Normalerweise steigen sie gleich wie die Pensi- onen oder werden der jährlichen Inflation angepasst. Führungskräfte in der Wirtschaft werden im Vergleich deutlich höher entlohnt als (Spitzen-)Politiker/innen. Daher wird es auch immer schwieriger, Spitzenkräfte für politische Ämter zu gewinnen. ÖVP und SPÖ – die großen Mitglieder-Parteien Während die SPÖ eine zentralistische Organisations- struktur aufweist, ist die ÖVP in Bünde (Bauern-, Wirt- schafts-, Arbeiter- und Angestellten-, Seniorenbund, Frauenbewegung, Junge Volkspartei) gegliedert. Beide Parteien haben eine Fülle von Vorfeldorganisationen bzw. ihnen nahe stehende Vereinigungen (z. B. Bund Sozialistischer Akademiker, Sozialistische Jugend, Kin- derfreunde, Rote Falken sowie ASKÖ [Arbeitsgemein- 130 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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