Zeitbilder 7/8, Schulbuch

Der Parlamentarismus ist also gekennzeichnet vom Kampf der Parteien um die Sitze im Nationalrat und damit gleichzeitig um die Regierung(-sbeteiligung). Dieser (Wahl-)Kampf wird öffentlich und mit populären Mitteln ausgetragen (= Konkurrenz-Demokratie). Verhältniswahlrecht und Vorzugsstimmen Nationalratswahlen finden spätestens alle fünf Jahre statt. Es gilt der Grundsatz des allgemeinen, gleichen, direkten, persönlichen und geheimen Verhältniswahl- rechts. Im Nationalrat sind alle jene Parteien vertreten, die entweder in einem der 43 Regionalwahlkreise ein Grundmandat oder zumindest 4 Prozent der gültigen Stimmen im gesamten Bundesgebiet bekommen haben. Grundsätzlich werden Parteilisten gewählt, auf denen die Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien gereiht sind. Um das Prinzip der Persönlichkeitswahl zu ver- stärken, können die Wählerinnen und Wähler die Ab- geordneten in den Regional- und Landeswahlkreisen mithilfe von Vorzugsstimmen umreihen und so direkt in den Nationalrat wählen. Allerdings sind dazu so viele Stimmen erforderlich, dass bisher nur die Spitzenkan- didatinnen und Spitzenkandidaten der Parteien und keine Regionalpolitikerinnen und Regionalpolitiker ein Vorzugsstimmenmandat erringen konnten. Theoretisch: freies Mandat – praktisch: Klubzwang Plenarsitzungen und Abstimmungen im „Hohen Haus“ sind öffentlich und werden seit vielen Jahren auch im ORF übertragen. Welche Haltung die Abgeordneten da- bei jeweils vertreten bzw. wie sie abstimmen, das wird vorher in den vertraulichen Sitzungen der Parteien in ihren „Parlamentsklubs“ festgelegt. Obwohl die Abge- ordneten grundsätzlich nur ihrem Gewissen verpflichtet sind (die Verfassung garantiert ihnen das so genannte freie Mandat), stimmen sie normalerweise im Sinne des „Klubzwangs“ immer geschlossen nach Parteien ab. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit finden auch die Sitzungen der vielen parlamentarischen (Unter-)Aus- schüsse statt. Dort werden die einzelnen Gesetzesan- träge diskutiert, verhandelt und unter Umständen auch abgeändert. Immer wieder kommt es zu Kompromissen zwischen den fachlich spezialisierten Mandataren der Parteien. Funktionen des Parlaments: Gesetzgebung ... Gemäß Artikel 24 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist das Parlament für die Gesetzgebung zuständig. Damit ist das Volk durch seine gewählten Vertreterinnen und Vertreter, also indirekt, die bestimmende Kraft im Staat – das zentrale Merkmal jeder parlamentarischen Demo- kratie. Doch im politischen Alltag fallen die wichtigen Ent- scheidungen für das Entstehen neuer Gesetze oder für die Anpassung alter (= Gesetzesnovellen) bereits im „vorparlamentarischen“ Raum. Dieser wird beherrscht von den Parteien, den Verbänden und anderen Interes- sengruppen (Lobbies), den einzelnen Ministerien und ihren Beamtinnen und Beamten (s. die Grafik). Wie ein Gesetzt ensteht Die beiden „üblichen“ Wege Die beiden „seltenen“ Wege Interessen Parteien oder Verbände bringen ihre Interessen vor Regierung(-smitglieder) lässt (lassen) Gesetzesentwurf ausarbeiten Begutachtungsverfahren: Interessen(-sverbände) nehmen direkt Einfluss auf Gesetzesentwurf (Änderungsvorschläge etc.) Ministerrat beschließt den Entwurf als Regierungsvorlage (= 2 / 3 bis 4 / 5 aller Gesetze) Nationalrat: Fraktionen und Ausschüsse Nationalrat: Lesungen, Abstimmungen im Plenum Bundesrat stimmt zu Parlamentarischer Raum Öffent- lichkeit Partei(en) greift (greifen) Interessen direkt auf Initiativantrag durch mind. 5 NR-Abgeordnete (10–30 % aller Gesetze) Volksbegehren (bundesweit seit 1964: 34) Initiative des Bundesrates Bundespräsident beurkundet das Gesetz Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt evtl.: Volksabstimmung (Zwentendorf; EU-Beitritt) Vorparlamentarischer Raum W Erstellt durch d. A. 125 4 Österreich – die Zweite Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=