Zeitbilder 7/8, Schulbuch

–– die Einführung einer Geburten- und Heiratsbeihilfe; –– die Einführung von Schüler/innenfreifahrt, kostenlo- sen Schulbüchern sowie die Abschaffung der Studi- engebühren; –– ein demokratisches Schulunterrichts- und Universi- tätsorganisationsgesetz; –– ein Arbeitsverfassungsgesetz, das die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer/innen durch die Betriebsräte verbesserte; –– das Gleichbehandlungsgesetz, das Frauen gleichen Lohn wie Männern bei gleicher Tätigkeit garantieren soll; –– der Ausbau des Bundesheeres zum Milizheer sowie die Einführung des Zivildienstes; –– die Einführung des vierwöchigen Mindest- und eines Pflegeurlaubs; –– die Einführung der Volksanwaltschaft als Kontrollor- gan; –– ein Konsumentenschutzgesetz, das üble Verkaufs- praktiken verhindern soll; –– die Fusion der gesamten staatlichen Industrie; –– ein neues Familienrecht, das den Frauen die volle Gleichberechtigung in der Ehe brachte; –– ein neues Scheidungsrecht. Der größte Teil der neuen Gesetze wurde im National- rat einstimmig beschlossen. Das neue Strafrecht aber lehnten ÖVP und FPÖ ab. Streitpunkt war die Einfüh- rung der „Fristenlösung“. Sie sieht unter gewissen Be- dingungen den straffreien Schwangerschaftsabbruch während der ersten drei Schwangerschaftsmonate vor. Auch das Volksbegehren der „Aktion Leben“ (mit fast 900 000 Unterschriften) führte zu keiner Änderung die- ses Gesetzes, das auch heute noch Rechtskraft hat. Der Streit um das AKW Zwentendorf Ein großes innenpolitisches Streitthema bildete im Jah- re 1978 das neu errichtete, 700 Millionen Euro teure Kernkraft- werk im niederösterreichischen Zwentendorf. SPÖ, ÖVP, führen- de Vertreter von Gewerkschaft und Industrie waren, dem da- maligen internationalen Trend entsprechend, für die Nutzung der Kernenergie. Doch spontan gebildete Bürgerinitiativen, die Vorläufer der „Grünen“ und en- gagierte AKW-Gegner/innen aus allen Parteien, bezweifelten die Nützlichkeit und Sicherheit von Atomkraftwerken und brachten eine breite öffentliche Diskussion darüber in Gang. Der Streit führte zu einer Volksab- stimmung über die Kernkraftnut- zung, bei der die Atomkraftgeg- ner/innen mit 50,5 Prozent knapp siegten. Daraufhin beschloss der Nationalrat ein „Atomsperrge- setz“ im Verfassungsrang, das die Nutzung der Kern- energie in Österreich verbietet. „Lieber ein paar Milliarden Schulden als Arbeitslose“ Als nach Jahren der Hochkonjunktur ein „Ölpreis- schock“ (1973) zu einer weltweiten Wirtschaftskrise führte, lautete Kreiskys Motto zur Behebung der Krise in Österreich: „Lieber Schulden als Arbeitslose!“ Diese Wirtschaftspolitik, später als „Austro-Keynesianismus“ bezeichnet, war klar auf Vollbeschäftigung ausgerich- tet. Dabei wurden bewusst ein steigendes Budgetdefizit sowie eine höhere Staatsverschuldung (1970: 3,42 Mrd., 1979: 16,78 Mrd. Euro) in Kauf genommen (= deficit spending). Dafür aber wies Österreich in den 1970er- Jahren gemeinsam mit der Schweiz die geringste Ar- beitslosenrate in Europa auf (ca. 2%). Dazu hatte es eine harte Währung, eine geringere Inflation und ein höheres Wirtschaftswachstum als die anderen europä- ischen Industriestaaten. Gemessen am Bruttoinlands- produkt (BIP) je Einwohner/in lag Österreich 1980 be- reits an der 16. Stelle der Weltrangliste (1988: 18.). Nach einem neuerlichen Wirtschaftseinbruch 1980/81 stiegen das Budgetdefizit (1981: 2,6%; 1986: 5,1%) und damit auch die Staatsschulden deutlich an. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die wesentlichen Reformen Kreiskys in seiner Par- tei und in der Regierung zusammen. 2. Erörtere auch mit Hilfe des Internets die wesentlichen Unterschiede zwischen keynesianischer und (neo-)liberaler Wirtschaftspolitik. W Es gab viele öffentliche Diskussionen und auch Demonstrationen der Kernkraftgegner/innen: Hier mit Transparenten mit den Aufschriften „Wir wollen kein Atomkraftwerk, dem muss sich Kreisky beugen“ und „Keine Inbetriebnahme des AKWs Zwentendorf“, Fotografie, 1977. 113 4 Österreich – die Zweite Republik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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