Zeitbilder 7/8, Schulbuch

1. Das Wiedererstehen Österreichs Der Wille zu Österreich Noch während des Zweiten Weltkrieges beschäftigten sich die Regierungen der alliierten Mächte mit der neu- en Ordnung in Europa nach dem Sieg über die Ach- senmächte. Bei einer Außenministerkonferenz in Mos- kau besprachen Hull (USA), Eden (GB) und Molotow (UdSSR) auch die Zukunft Österreichs. Das Ergebnis war die „Moskauer Deklaration“ vom 30. Oktober 1943: Q Die Regierungen des Vereinigten Königreiches, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika sind darin einer Meinung, dass Österreich, das erste freie Land, das der typischen Angriffspo- litik Hitlers zum Opfer fallen sollte, von deutscher Herrschaft befreit werden soll. Sie betrachten die Besetzung Österreichs durch Deutschland am 13. März 1938 als null und nichtig. (...) Sie erklären, dass sie wünschen, ein freies, unab- hängiges Österreich wieder errichtet zu sehen. (...) Österreich wird aber auch daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Krieg an der Seite Hitler-Deutsch- lands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrin- nen kann, und dass anlässlich der endgültigen Ab- rechnung Bedachtnahme darauf, wie viel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird, unver- meidlich sein wird. (Frass, Quellenbuch zur österreichischen Geschichte, Bd. 4, 1967, S. 256) Da die Alliierten in der Folge von diesem Beschluss nicht mehr abrückten, stellt er ohne Zweifel ein Grund- dokument der Zweiten Republik dar. Darüber hinaus erhielt der österreichische Widerstand durch diese Er- klärung großen Auftrieb. Den Österreicherinnen und Österreichern selbst war zu diesem Zeitpunkt durch die (Kriegs-)Politik Hitlers die „Liebe zum Reich“ schon weitgehend abhanden gekommen. Das Kriegsende in Österreich Ende März 1945 griffen die Kämpfe im mittleren Bur- genland auf das Gebiet des heutigen Österreich über. Die Rote Armee drängte die Verbände der Deutschen Wehrmacht immer weiter zurück und rückte gegen Graz vor. Dabei kam es zu besonders schweren Gefech- ten in der Oststeiermark. Gleichzeitig kämpften sich andere Verbände der Roten Armee in Richtung Wien vor. Geheim geführte Verhand- lungen einiger Offiziere über eine kampflose Übergabe der Stadt wurden von der SS aufgedeckt. In der „Schlacht um Wien“ vom 6. bis zum 13. April wurde die ohnehin schwer bombengeschädigte Stadt noch mehr verwüstet. Ende April stießen französische Truppen über Vorarl- berg bis nach Tirol vor. US-amerikanische Truppen be- setzten Anfang Mai von Bayern kommend Innsbruck, Salzburg und Oberösterreich, wo sie am 5. Mai auch das KZ Mauthausen befreiten. Schließlich ging am 8. Mai 1945 durch die bedingungslose deutsche Kapitulation der Krieg auch in Österreich zu Ende. W „O5“ – dieses Zeichen des Widerstandes tauchte ab Herbst 1944 wie- derholt an den Hauswänden auf. Es bedeutete Österreich („O“ und „5“ für „e“ als der fünfte Buchstabe des Alphabets). Das Widerstandszei- chen ist am Stephansdom (Bild) noch heute zu sehen. Die Neugründung der Parteien Schon vorher gingen – vor allem in den von der Roten Armee besetzten Gebieten – Patrioten an die Wieder- herstellung des demokratischen Lebens. Eine wichti- ge Rolle spielte dabei Karl Renner. Der damals bereits 75-jährige erste Staatskanzler der Ersten Republik nahm schon Anfang April das sowjetische Angebot an, eine Konzentrationsregierung zu bilden. Dazu mussten allerdings erst die politischen Parteien wieder erstehen. –– Die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) entstand am 14. April im Wiener Rathaus durch die Vereini- gung der ehemaligen Sozialdemokraten mit den Re- volutionären Sozialisten. Die Partei war marxistisch ausgerichtet und hatte das Ziel, alle demokratisch-so- zialistischen Wählerschichten der Bevölkerung anzu- sprechen. Ihre Vorsitzenden waren Karl Renner und Adolf Schärf. –– Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) wurde am 17. April im Schottenstift in Wien von christlichsozialen Politikern gegründet. Sie distanzierte sich von der au- toritären und klerikalen Politik der Vaterländischen Front und verstand sich als Volkspartei aller demo- kratisch-nichtsozialistischen Österreicherinnen und Österreicher. Leopold Kunschak und Felix Hurdes übernahmen die Führung. –– Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) organi- sierte sich neu unter der Führung von Johann Kople- nig, der aus dem Moskauer Exil eingeflogen wurde. Ihr Ziel war die Errichtung einer Volksdemokratie in Österreich. Der politische Wiederaufbau Alle drei Parteien bekannten sich zu einem unabhän- gigen Österreich. Sie wollten es gemeinsam wieder aufbauen. Andere Parteien waren von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht zugelassen. Auch die Wider- standsbewegung „O5“ wurde von den Parteien und den Sowjets von der politischen Verantwortung ausge- schlossen. Renner bildete eine provisorische Regierung, der Ver- treter aller drei Parteien angehörten (Konzentrations- 100 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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