Zeitbilder 7/8, Schulbuch

trag hinterlässt der Zukunft Streitigkeiten (...) mit Deutschland (...) und zwischen den Alliierten (...). (Schmid, Fragen an die Geschichte 4, 1988, S. 13) John Foster Dulles, der den Paragraphen der Allein- schuld Deutschlands entworfen hatte, meinte später: Q Es war in allererster Linie die heftige Reaktion des deutschen Volkes auf diesen Artikel des Ver- trages, die den Grundstein für Hitler-Deutschland gelegt hat (...). (Craig, Geschichte Europas 1815–1980, 1996, S. 96) Die vielfältigen Folgen des Krieges Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges änderte sich das territoriale Gesicht Europas grundlegend: Vier europä- ische Großmächte, Österreich-Ungarn, Deutschland, Russland und das Osmanische Reich, zerfielen oder veränderten sich entscheidend. Mehrere 1 000 Kilome- ter Staatsgrenze wurden neu gezogen. Neue Staaten entstanden auf dem Boden der ehemaligen Habsbur- germonarchie und im Nahen Osten. In manchen von ihnen lebten Mehrheiten und Minderheiten eng zusam- men. Dies führte teilweise bis heute zu großen nationa- len Spannungen. Damals begannen Fluchtbewegungen und Vertreibungen, die vielfach erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg beendet wurden. Schon während des Krieges flohen im Osten Millionen Menschen vor den heranrückenden deutschen Armeen weiter nach Russland. In Russland selbst flüchteten die Turkvölker, als die Regierung sie in stärkerem Maße für den Krieg rekrutieren wollte. Nach der Revolution ver- ließen rund eine Million Revolutionsgegner das Land. Nach Deutschland kamen mit Kriegsende Flüchtlinge aus Polen, Elsass-Lothringen und den ehemaligen Kolo- nien. Fluchtbewegungen und Vertreibungen vollzogen sich in großem Ausmaß auch im Südosten. Griechen, Bulgaren und Türken konnten vielfach nicht mehr in ih- ren alten Siedlungsgebieten bleiben und mussten ihre Heimat verlassen. Im Gebiet des ehemaligen Osmanischen Reiches leb- ten zudem Minderheiten, deren Hoffnungen auf ei- nen eigenen Staat sich 1918 nicht erfüllten. Dies galt für die Armenier, die während des Krieges grausam verfolgt worden waren, und für die Kurden. Nach dem Krieg entstanden aber auch neue internationale Macht- verhältnisse. Europa verlor seine Vormachtstellung. Es wurden zwar einige Demokratien, aber noch mehr Diktaturen begründet. Die Lage Europas war in der Zwischenkriegszeit instabil, die Kolonien begannen ab- zubröckeln. Die USA stiegen zur führenden Industrie­ nation und zum größten Kreditgeber der Welt auf. Inflation und politische Unruhen Einige Länder Europas litten von 1918 bis 1923 un- ter einer sehr hohen Inflation. Zur Finanzierung des Staatshaushaltes wurde besonders in Österreich und Deutschland immer mehr Geld gedruckt. Dieses verlor rasend schnell an Wert („Hyperinflation“). Dazu kam in diesen Jahren eine hohe Arbeitslosenrate. Besonders viele heimkehrende Soldaten waren davon betroffen. Die wirtschaftliche Dauerkrise führte in Deutschland, wo 1918 eine Republik ausgerufen worden war (nach dem Tagungsort der Nationalversammlung „Weimarer Republik“ benannt), zur Radikalisierung in der Politik. Extremistische rechte und auch radikal linke Kräfte ver- übten Staatsstreiche, Umsturzversuche und politische Morde – auch an Regierungsmitgliedern. Der Völkerbund Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges führte zu einem Umdenken in der Politik. In Zukunft sollten Konflikte durch internationale Verhandlungen geklärt und mi- litärische Auseinandersetzungen vermieden werden. Die Idee eines umfassenden Modells für den Weltfrie- den stammt vom amerikanischen Präsidenten Wilson. Mit der Erfüllung seines Ideals („Make the world safe for democracy“) hoffte er, dass dauerhafter Frieden ge- schaffen und sich weltweit Demokratien etablieren wür- den. Wilson hatte die Schaffung des Völkerbundes als wichtigsten Bestandteil der Pariser Friedenskonferenz (ratifiziert am 29. April 1919) durchgesetzt. Allerdings traten die USA dem Völkerbund dann gar nicht bei. In den Satzungen hieß es u. a.: Q Art 8: Nationale Abrüstung bis zu einem Mini- mum, das mit der nationalen Sicherheit (…) ver- einbar ist. (…) Art. 10: Gegenseitige Anerkennung der territorialen Integrität [Unversehrtheit der Gren- zen, Anm. d. A.] und der politischen Unabhängigkeit der Mitglieder. Im Falle eines Angriffes, einer Bedro- hung oder einer Angriffsgefahr trifft der Rat geeig- nete Sicherheitsmaßnahmen. (…) Art. 12: Ein Streit zwischen Mitgliedern, der den Frieden gefährdet, ist einem Schiedsgericht vorzulegen. Art. 13: Die Mit- glieder haben die (…) Entscheidungen (…) anzuer- kennen. (…) Art. 16: Ein Mitglied, das Krieg beginnt, befindet sich im Krieg mit allen Mitgliedern des Völ- kerbundes. Diese brechen sogleich alle Handels- und Finanzbeziehungen mit ihm ab. (…) Art. 23: Weitere Aufgaben: (…) Sorge für gute Ar- beitsbedingungen, Überwachung des Rauschgift- und W Foto einer Massendemonstration im Berliner Lustgarten gegen den Versailler Vertrag 1919. Die Teilnehmer/innen tragen Plakate, auf einem steht „Nieder mit dem Gewaltfrieden“. 10 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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