Zeitbilder 7, Schulbuch
13. Der Nord-Süd-Konflikt Um das Macht- und Entwicklungsgefälle im Weltmaß- stab zu benennen, wurden in unterschiedlichen histo- rischen Zusammenhängen verschiedene Begriffe ver- wendet: Länder des Nordens und des Südens, Erste- Zweite-Dritte Welt, Entwicklungsländer – Industrielän- der, entwickelte und unterentwickelte Länder. Aus der klassischen Sicht der „Nord-Süd-Kluft“ ist die Welt mit einer Pyramide vergleichbar: Den breiten Sockel bilden die fünfeinhalb Mrd. Menschen, die in Asien, Afrika und Lateinamerika leben. Die schmale Spitze hingegen wird von einer Mrd. Menschen bevölkert, die in Euro- pa, Nord-Amerika, Japan, Australien und Neuseeland leben. Unsere Sprache lässt konsequent eine Unter- ordnung sichtbar werden, die durch die Veränderung der Begrifflichkeit allein nicht zu beseitigen ist. Die Be- zeichnungen „Nord-Süd“ lösen sich aus ihrer geografi- schen Zuordnung und werden zu Metaphern eines auf Ungleichheit basierenden und stets neue Ungleichheit hervorbringenden Dominanz- und Abhängigkeitsver- hältnisses. Eine Welt und „Dritte Welt“ Die Bezeichnung „Dritte Welt“ kam in den Fünfziger- jahren auf. Sie sollte die vielfach wertend verwendete Gegenüberstellung von „entwickelt“ und „unterent- wickelt“ vermeiden helfen. Als „Erste“ und „Zwei- te Welt“ galten die westlichen Industrieländer bzw. die sozialistischen Länder des sowjetisch dominierten Blocks mit ihren Zentralwirtschaften. Repräsentanten W Zwei Welten begegnen sich. Autorin und Fotografin Helen Schreider handelt am Markt in Ägypten um Orangen. Fotografie von Frank und Helen Schreider am 8. August 1965 (National Geographic/Getty Images). der „Dritten Welt“ wie- sen aber bald auch auf die Problematik dieses Begriffs hin. „Dritte Welt“ als gemeinsame Bezeichnung für eine Vielzahl von Ländern verleitet zur Annahme, es handelt sich hierbei um eine einheitliche Welt. Darüber hinaus legt sie nahe, die „Drit- te Welt“ gesondert zu betrachten und nicht in Beziehung zu den „an- deren Welten“ im Sinne einer Welt zu sehen. 13.1 Vielfältige Wirklichkeit macht klare Zuordnungen unmöglich Die Vereinten Natio- nen sprachen lange von „Less Developed Coun- tries“, wofür sich im Deutschen die Überset- zung „Entwicklungsländer“ durchgesetzt hat. Nach ihren Kriterien galten als Entwicklungsländer solche Staaten, die unter anderem über ein niedriges Pro- Kopf-Einkommen, ein rasches Bevölkerungswachs- tum, einen hohen Anteil an Analphabeten und ein deutliches Übergewicht der Landwirtschaft gegen- über der Industrie verfügten. Ein Blick auf die wirt- schaftliche und soziale Lage der Länder der „Dritten Welt“ ließ jedoch so große Unterschiede erkennen, dass viele weitere Unterscheidungen sinnvoll er- schienen: –– Die Gruppe jener Länder, die Erdöl exportieren: Sie profitierten vor allem durch die Preissteigerungen in den Siebzigerjahren, wodurch sich ihr Anteil amWelt- handel vergrößerte. Allerdings hängt der Rang dieser Länder wesentlich von der Höhe des Erdölpreises ab. –– Die Gruppe jener Länder, die sich „an der Schwelle zum Industriestaat“ befinden: Sie verfügen bei Aus- nutzung billiger Arbeitskraft und Technologien über Industrien, die kostengünstig produzieren und expor- tieren. –– Die Gruppe der „armen Länder“: Diese große Grup- pe wurde vielfach nochmals unterteilt in „Least De- veloped Countries“ und „Most Seriously Affected Countries“. In diesen Ländern beträgt das Pro-Kopf- Einkommen weniger als 250 Dollar. Der Anteil der In- dustrie am Bruttonationalprodukt erreicht höchstens 10%. Die Analphabetenrate liegt bei über 80%. Hin- zu kommen hohe Schulden und extreme Abhängig- keit vom Außenhandel. 140 Nur zu Prüfzwecken – Eigen um des Verlags öbv
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