Zeitbilder 7, Schulbuch

107 3 Über Täter und Opfer des NS-Regimes alle (…) bedeutete es den gleichen Schock, wenn sie die Köpfe der Gefährtinnen sahen. Kahlgescho- ren, geduscht, geprügelt, herumgepufft und in den gestreiften Anzug ohne Gürtel gezwängt, war man unkenntlich geworden (…) (Alakus u.a. (Hg.), Sex-Zwangsarbeit, 2006, S. 119) M4 Über den Massenmord an Menschen mit Behinderung in Schloss Hartheim (1939–1941): In der Tötungsanstalt Hartheim arbeiteten während der Zeit der „Aktion T4“ ungefähr 70 Personen (…) Die leitenden Funktionen wurden (…) mit zuverläs- sigen nationalsozialistischen Parteigängern besetzt. (…) Die materielle Seite des Tötungsprozesses, von der Organisation des Transports aus der Zwischen- anstalt nach Hartheim bis zur Verbrennung der Op- fer, war Angelegenheit des Arztes (...); der Gashahn musste laut Vorschrift der Zentrale von einem Arzt bedient werden, er bestimmte die offizielle Todesur- sache und war für die korrekte Führung der Kranken- akte zuständig (…) Leitende Prämisse [=Bedingung; Anm. d. A.] des Verwaltungshandelns war die umfassende Geheim- haltung der Todesumstände der Opfer (…) Von den Informationen, die der Außenwelt mitgeteilt wurden, waren, bis auf die Tatsache des Todes selbst, alle falsch, angefangen von Todeszeitpunkt und Todesur- sache bis zur Behauptung, in der Urne befinde sich die Asche der betreffenden Person (…) In Hartheim angekommen, wurden die Opfer vom Pflegepersonal entkleidet (…) Anschließend wurden die Opfer (…) dem diensthabenden Arzt vorgeführt, der ihre Identität überprüfte, anhand der Krankenak- te eine plausible Todesursache festlegte (…) und das Opfer auf goldenen Zahnersatz untersuchte. „Eine Pflegeperson musste die einzelnen Vorgeführ- ten auf der Schulter, bzw. auf der Brust (…) bestem- peln. Jene Personen, welche Goldzähne oder eine Goldbrücke hatten, wurden am Rücken mit einem Kreuz gekennzeichnet“ [Aus einem Vernehmungsprotokoll, Kriminalpolizei Linz am 4.9.1945] Anschließend wurden die Opfer fotografiert. [An- schließend] brachten die PflegerInnen sie in die Gas- kammer. Dieser Raum (…) war wie ein Brausebad eingerichtet. Eine Pflegerin schildert die dadurch in- tendierte Täuschung: „Wen sie ansprechbar waren, sagte man ihnen sie würden gebadet. Viele freuten sich auf das Baden (…) Allgemein freuen sich Kran- ke, wenn sie gebadet werden.“ Nun öffnete der Arzt den Gashahn (…) (Kepplinger/Reese, Das Funktionieren einer Tötungsanstalt, S. 91–99, in: Rotzoll u.a. (Hg.), Die nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion, 2010, S. 92ff.) M5 Der Rom Karl Stojka (1931–2003) berichtet von seiner Haft in Auschwitz als 12-Jähriger und den Verbrechen des Massenmörders Mengele: Ich, die Nummer Z 5742, war vom 3. März 1943 bis zum 27. April 1945 in den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald und Flossenbürg, im Ver- nichtungslager Birkenau sowie auf dem Todesmarsch und ich möchte berichten (…), was (…) Nazi-Ärzte an uns verbrochen haben. Ich selbst war dazu gezwungen (…) für Dr. Mengele zu arbeiten. In die Baracke 8 wurden (…) Woche für Woche hunderte Zwillinge gebracht, die nur ihm und seinen Helfershelfern zur Verfügung standen. Nach 8 Tagen waren von den ursprünglich rund vierhun- dert Zwillingen nur mehr zwanzig bis dreißig am Le- ben: die übrigen hatten er und seine Ärzte zu Tode gequält (…) Diese „Menschen“ haben in Birkenau nicht nur die verschiedensten Versuche, sondern auch Zwangssterilisationen an hunderten Frauen, Mädchen ja selbst an Kindern vorgenommen. Dr. Mengele holte sich (…) vor allem aber Menschen mit den gelben Sternen, (…) persönlich von der be- rüchtigten Rampe ab. Es gab ja genug „lebendes Ma- terial“ (…) Aber auch die Lager-Gestapo lieferte ihm immer wieder frischen Nachschub für seine „Untersu- chungen“: Polen, Tschechen, Juden und Zigeuner und viele, viele andere (…) Diese Menschen waren zu 95% gesund, trotzdem hat kaum einer von ihnen überlebt. Jeden Tag fuhren große Diesellastwägen mit der SS im Zigeunerlager vor (…) und holten die Leichen ab: ver- hungerte, verdurstete, erschlagene, ermordete Men- schen. Bei uns im Block 8 (…) gab es jedoch immer die meisten Toten abzuholen (…) hunderte, tausende Zigeuner – und noch viel mehr Juden (…) (Stojka, Wo sind sie geblieben…?, 2003, S. 93) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Recherchiere die Verbrechen der genannten und auch namentlich nicht genannten österreichischen Täter (im Zusammenhang mit dem Holocaust) sowie deren weitere Lebensgeschichte (M1). 2. Arbeite Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Be- handlung sowie die Kennzeichnung der verschiedenen Häftlingsgruppen anhand von M2 und M5 heraus. 3. Fasse anhand der Darstellungen (M3, M5) die physischen und psychischen Qualen zusammen, die die Häftlinge erlei- den mussten. Erörtere mögliche Auswirkungen auf die Opfer. 4. Charakterisiere das „Funktionieren“ des Massenmordes an Menschen mit Behinderung und dessen Verschleierung (M4). Nur zu Prüfzwecken – Ei entum des Verlags öbv

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