Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Die schrecklichen Auswirkungen der Pest und der „Hundertjährige Krieg“ waren auch in England ent- scheidende Ursachen für den Bauernkrieg des Jahres 1381: König Richard II. hatte binnen vier Jahren zum dritten Mal die Steuern zur Finanzierung des Krieges erhöht; die Grundherren wollten selbst für freie Bauern den Frondienst wieder einführen; wer vor seinem Herrn flüchtete, wurde mit glühenden Eisen gebrandmarkt und für vogelfrei erklärt. Der Hass gegen die Obrigkeit verbreitete sich aber nicht nur unter den Tagelöhnern und Bauern. Auch der niedere Klerus unterstützte die- se breite Volksbewegung, die immer lauter die Frage stellte: „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“ Volle Zustimmung erhielt der Prediger John Ball für sein Argument: Q (…) dass Hörigkeit und Leibeigenschaft durch die Unterdrückung gegen den Willen Gottes ein- geführt worden seien. Denn hätte es Gott gefallen, Hörige zu schaffen, so hätte er zu Anfang der Welt bestimmt, wer Sklave und wer Herr sein sollte. (Nach Töpfer, Allgemeine Geschichte des Mittelalters, 1985, S. 354) Jetzt schien die Zeit reif für eine endgültige Befreiung aus der Abhängigkeit. Schlösser wurden gestürmt, Steueraufzeichnungen verbrannt, Gefangene aus den Kerkern befreit. Drei gut organisierte Bauernheere mar- schierten schon nach zwei Wochen in London ein, wo sie auch Unterstützung durch die städtische Unterschicht bekamen. König Richard II. machte ihrem Führer, Wat Tyler, beträchtliche Zugeständnisse: z. B. Abschaffung der Leibeigenschaft und Straffreiheit für die Bauern. Doch die radikale Gruppe um Tyler forderte weiter rei- chende Zugeständnisse, u. a. die Aufteilung des gesam- ten kirchlichen Grundbesitzes zu Gunsten der abhängi- gen Bauern und die Nutzung der herrschaftlichen Wäl- der. Dabei kam es zum Kampf: Wat Tyler wurde von den königlichen Begleitern erschlagen. Mit einem Blutbad beendeten daraufhin die Ritter den Aufstand. Der König nahm alle seine Zusagen zurück. Nur die Leibeigenschaft wurde wenig später auch in England aufgehoben. 14.3 Die Bauern kämpfen um Freiheit und Besserstellung In den Alpenländern sind die Bauern erfolgreich Schon seit dem 13. Jh. schlossen sich die Bauern in eini- gen Teilen West- und Mitteleuropas in genossenschaft- lichen Bündnissen zusammen. Damit wollten sie ihre Rechte und Freiheiten gegen Nachbarn und Fürsten sichern und manchmal auch eigene Staatswesen ohne „hohe Herren“ gründen. Dauerhaft gelang dies nur den drei Urkantonen Uri, Schwyz und Unterwalden, deren bäuerliche Bewohner sich schon 1291 zum „Ewigen Bund“ zusammenschlossen. Aus diesem Bund entwi- ckelte sich nach etlichen erfolgreichen Kämpfen gegen die habsburgischen Landesherren der einzige europäi- sche Staat auf bäuerlich-genossenschaftlicher Grundla- ge – die Schweiz. Im Eidbrief von 1291 formulierten sie ihre gemeinsamen Ziele: Q Es mögen also alle zur Kenntnis nehmen, dass die Männer des Tales Uri, die Gemeinde des Tales Schwyz und die Gesamtheit der Unterwaldener Män- ner angesichts der bösen Zeit, um sich und ihre Habe leichter verteidigen zu können, nach bestem Wissen versprochen haben, sich gegenseitig mit Hilfe und jeder Art von Rat und Gunst beizustehen, mit Leib und Gut, innerhalb und außerhalb der Täler gegen alle und Einzelne, die ihnen oder einem von ihnen Gewalt, Beschwer oder Unrecht antun (…). Die oben stehenden Bestimmungen (…) sollen, wenn Gott will, für immer dauern. (Nach Borst, Lebensformen im Mittelalter, 1979, S. 365 ff.) Einzigartig imspätmittelalterlichenEuropawar die recht- liche Stellung der Bauern in Tirol und Vorarlberg: Sie waren nicht nur persönlich frei; ihre gewählten Vertreter bildeten neben den geistlichen und weltlichen Herren bzw. den Bürgern der Städte einen eigenen Stand in den Landtagen. Freilich waren sie dort dem Herrenstand un- tergeordnet und mussten sich dessen Entscheidungen beugen. Dennoch konnten sie an der Landespolitik ak- tiv teilnehmen (Steuerbewilligungsrecht, Mitsprache bei Gesetzen und der Bestellung von Beamten). In Westeuropa kämpfen die Bauern vergebens Auch im übrigen Europa versuchten die Bauern die grundherrlichen und landesfürstlichen Forderungen abzuwehren. Der größte Bauernaufstand in Frankreich ereignete sich mitten im „Hundertjährigen Krieg“ ge- gen England (1358): Der Krieg vernichtete die Ernten. Immer mehr Bauern waren verarmt. Doch der König und die Grundherren verlangten weiter alle Abgaben und trieben die Steuern ein. Da griffen die Bauern zu den Waffen, zerstörten etliche Adelssitze und erschlu- gen ihre Herren. Das einte rasch den zerstrittenen französischen Adel. Selbst die verfeindeten englischen Ritter kamen ihren französischen Standesgenossen zu Hilfe. In wenigen Wochen wurden die Aufständischen besiegt. Fürchterliche Strafgerichte folgten.  Neidhart von Reu- enthal (vor 1200 geb., um 1250 gest.), von bewaffne- ten Bauern zu einem Schwur genötigt. Buchmalerei, Zürich um 1310 – 1340. 96 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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