Zeitbilder 5/6, Schulbuch

My home is my castle Für den Adel galt es zunächst, befestigte Stützpunkte anzulegen – gegen die Normanneneinfälle und Un- garnzüge des 9. und 10. Jh., aber auch gegen räube- rische Nachbarn. Erdwall und Holzpalisaden umgaben einen schlichten Wohnbau. Die Burg war das Zentrum der Macht des Herrn, seine Verwaltungszentrale, sein Herrschaftsinstrument im Umland. Ihre Stellung auf Anhöhen erleichterte die Verteidigung. Sie war Sym- bol für die gehobene Stellung ihres Besitzers. Sie war aber auch Zeichen seiner Distanz zum Volk, zu den Be- herrschten der Umgebung. Steinburgen, die von den fronenden Bauern und Dienstleuten des Grundherrn in 5- bis 7-jähriger Arbeit errichtet wurden, wurden erst im 11. und 12. Jh. die Regel. Rittertum – Anspruch und Wirklichkeit Das Leben auf einer der vielen kleinen Burgen verlief in der Regel wenig romantisch: Q Auf einem schmalen runden Kofel (Bergkegel), inmitten von dichtem Wald, hohen Bergen, tie- fen Tälern; Steine, Stauden, Stöcke sehe ich täglich allzu viele. Der Lärm der kleinen Kinder dringt mir durch und durch. Wohin ich schau, stört mich der Rost an dem Eisen, das ich einst führte (Schwert und Rüstung). Ich sehe nur Kälber, Geißen, Böcke und im Winter Leute in Holzschuhen, schwarz, hässlich, ruß- verschmiert. (Oswald von Wolkenstein, 1426; nach: Brunner, Ritter – Knappen – Edelfrauen, 1981, S. 43) Die ganze Pracht des Rittertums entfaltete sich nur sel- ten. Nur wenige Burgherren konnten sich solche stan- desgemäßen Feste leisten, wo etwa Dichtung öffentlich vorgetragen wurde und die Haudegen ihr Rittertum in Turnieren darstellen konnten. Es kam dabei aber häu- fig zu „Unfällen“, die mehr Todesopfer forderten als so manche kriegerische Auseinandersetzung. L Als notwendige Aggressionsabfuhr und Tummel- platz, bei dem es viel Geld zu verdienen gab, gibt das Turnier den müßigen Rittern, die wegen der Einschränkung des echten Krieges und der Fehden nichts zu tun haben, eine Beschäftigung und fördert zugleich deren kriegerische Gewandtheit. (Duby, Der Sonntag von Bouvines, 1988, S. 93) Welche Spiele dienen gegenwärtig der Aggressionsab- fuhr? Wie stehst du zu ihnen? Fragen und Arbeitsaufträge 1. Benenne die Merkmale der Adelsgesellschaft imMittelal- ter. Was unterscheidet diesen „Stand“ von den anderen? 2. Vergleiche den Anspruch an Ritter, der u.a. in der Zeremo- nie der „Schwertleite“ und im Schwertsegen deutlich wird, mit der Wirklichkeit (Quellen, Autorentext). Diskutiert, ob diese „ritterlichen“ Werte noch heute von Bedeutung sind. 3. Wen könnte man heute als „Adel“ („Herren“) in unserer Gesellschaft bezeichnen?  Ein Turnier (Schloß Runkelstein bei Bozen-Bolzano in Südtirol, 14.Jh.). Das ritterliche Kampfspiel, das nach festen Regeln durchgeführt wurde, diente u.a. der Vorbereitung auf den Krieg.  „Schwertleite“- ein Knappe wird Ritter; Buchmalerei, 14.Jh. Bei der Rittererhebung wurde ein Schwertsegen gesprochen: „Wir bit- ten dich, erhöre unsere Bitten und segne mit der Hand Deiner Majestät dieses Schwert, mit welchem sich Dein Diener zu umgürten wünscht. Segne es, damit es Verteidigung und Schutz für Kirchen, Witwen, Waisen und alle, die Gott dienen, gegen das Wüten der Heiden sein könne. Allen, die ihnen nachstellen, möge es Furcht, Angst und Schrecken einflößen.“ (Erdmann, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 330.) 75 Das Mittelalter 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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