Zeitbilder 5/6, Schulbuch

 Kalender der 12 Monate des Jahres mit den entsprechenden Tätigkei- ten in der Landwirtschaft, Miniatur von Colin von Amiens (15.Jh.). Die Bauern – „din ordenunge ist der phluoc“ Die Bauern und die in der Landwirtschaft Tätigen bil- deten mit mindestens 90 Prozent den bei weitem größ- ten Teil der damaligen Bevölkerung. Gegenwärtig sind in Österreich weniger als ein Prozent der Bevölkerung Vollerwerbsbauern. Doch das freie Bauerntum war in der Übergangszeit vom Früh- zum Hochmittelalter (7. und 8. Jh.) in Mit- teleuropa einem vom Grundherrn abhängigen Bauern- tum gewichen. Vielfach hatten sich ursprünglich freie Bauern mit ihrem Landbesitz in die Abhängigkeit eines Grundherrn begeben, um nicht mehr im königlichen Heerbann in den Krieg ziehen zu müssen oder um sich vor Übergriffen anderer Mächtiger zu schützen. Dafür erhielten sie ihr Land zur Bearbeitung zurück und hatten dem Grundherrn Gegenleistungen zu bieten: entweder als Grundpacht (Abgaben vom Ernte- und Viehertrag, später Geldabgaben etc.) oder als Dienste (Arbeitsleis- tungen für den Grundherrn wie Pflugarbeit, Erntearbeit, Instandsetzungsarbeiten = Fronen). Allerdings waren die Formen der Abhängigkeit von Grundherrschaft zu Grundherrschaft verschieden. Doch in der Regel waren die Bauern nicht mehr frei und unabhängig. Mit der Zunahme der Geldwirtschaft ab dem 12. Jh. wurde der Besitz von Geld für die Grundherren im- mer interessanter. Sie ließen sich nun die bäuerlichen Frondienste und Naturalleistungen zunehmend durch Geldbeträge ablösen. Dadurch wurde die wirtschaftli- che Abhängigkeit der Bauern von ihren Grundherren weniger unmittelbar. In der bildhaften Sprache des Mit- telalters bezeichnete man die Bauern als „die Füße“, welche den gesamten Volkskörper zu tragen hatten. Sie schufen nämlich die Nahrungsgrundlagen für Klerus und Adel. 5. Bauern und Grundherrschaft Q So Buwe mit dem Phluoce / so geniuzent din ge- nuoge. / din geniuzent sicherliche / der Arme und der Riche. / manec Künec wirt gekroenet / von dez Buwes Stiuwer (Steuer, Abgabe). (Wernher der Gärtner, Meier Helmbrecht, 13. Jh.) Die wirtschaftliche Leistung der Bauern ermöglich- te es nämlich erst den Adeligen, den Rittern und der Geistlichkeit, ihren Lebensstandard zu entwickeln. Die Bauern finanzierten letzten Endes die kostspielige mi- litärische Ausrüstung (ein Brustpanzer kostete im 11. Jh. etwa so viel wie der Jahresertrag eines mittleren Gutes). Sie kamen auch für die kostbaren liturgischen Geräte (z. B. Kelche, Kreuze) sowie für den Bau der Kirchen, Klöster und Burgen auf. Die Grundherrschaft war somit eine Einrichtung, die schließlich das gesam- te bäuerliche Leben vom Hochmittelalter bis ins 19. Jh. bestimmte. Die Bevölkerung wächst und muss ernährt werden Die Versorgung der wachsenden Bevölkerung war nicht leicht. Es wurde vor allem Getreide angebaut. Denn die Viehhaltung ist für die Ernährung nicht so ergiebig. Zwei Voraussetzungen bildeten die Grundlage für die erhöhte Nahrungsmittelproduktion: Erstens wurde bisher unberührter Urwald gerodet, Sümpfe trockengelegt und Dämme errichtet (Binnen- kolonisation). Durch Begünstigung der Rodungsbauern (z. B. weniger Steuern und Abgaben) war es gelungen, die bebaubare Fläche beträchtlich zu vergrößern. Eine besondere Form des Landausbaus bildete ab dem 11. Jh. die Kolonisation bei den östlichen Nachbarn des Reiches, bei den Polen, Böhmen und Ungarn. Als Ko- lonisten wurden Bauern, Handwerker und Händler von slawischen und ungarischen Fürsten ins Land geholt. Die Landwirtschaft und die entstehenden Städte soll- ten dadurch gefördert werden. Diese „Ostkolonisation“ hat das Gesicht Osteuropas beeinflusst, ja zum Teil ent- scheidend bis zum Jahr 1945 geprägt. Zweitens wurde der vorhandene Boden intensiver ge- nutzt: Wo es die Möglichkeit gab, wurde Weideland in Ackerland umgewandelt. Damit wurde die Rinderhal- tung zurückgedrängt. Dadurch war jedoch die natürli- che Düngung des Bodens vielfach nicht mehr gesichert. Die erste künstliche Düngung mit Mergel (ein Sedi- mentgestein, gemischt aus Kalk und Ton) machte zwar die Wirkstoffe im Boden für die Pflanzen besser verfüg- bar, vermehrte sie aber nicht. Der Acker war also bald „ausgemergelt“. Die allmähliche Verbreitung der Drei- felderwirtschaft seit der Karolinger-Zeit steigerte die Erträge, weil öfter geerntet werden konnte als bei der Zweifelderwirtschaft. Dabei wurde auf einem Feld ab- wechselnd Wintergetreide und Sommergetreide ange- baut, während im dritten Jahr das Feld brach lag. Das verhinderte ein Auslaugen den Böden. Eine Grundvoraussetzung für die Ausbreitung des schwereren Beetpfluges war eine verbesserte Zugkraft. Diese wurde durch die Anspannung entweder von meh- reren Zugochsen oder durch die bessere Ausnutzung 72 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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