Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Das dingliche Element – das Lehen Was erhielt der Vasall für seine Dienste? In der Zeit vor- wiegender Naturalwirtschaft konnte der König (oder adelige Herr) die Dienste seiner Lehensmänner meist nur durch die Belehnung mit Landgütern, so genann- ten Lehensgütern (lateinisch feudum – feudal), lohnen. Somit bestand die politische und wirtschaftliche Macht- grundlage der adeligen Gefolgsleute in der Verfügung über Land (durch Lehen) sowie in eigenem Besitz von Grund und Boden (= Grundherrschaft). Der Grundherr bewirtschaftete das ihm zur Verfügung stehende Land nicht selbst. Er vergab den größten Teil des ihm zur Ver- fügung stehenden Landes an Bauern zur Bewirtschaf- tung und Nutzung (Grundleihe an Bauern, Grundunter- tänigkeit der Bauern). Im Laufe der Zeit wurden auch Ämter, Rechte und Stellen bei Hofe als Lehen verstan- den und vom König verliehen. Das Lehenswesen bot jedem Adeligen – nicht nur dem König – die Möglichkeit, durch die Vergabe von Le- hen eine eigene Gefolgschaft zu bilden. Diese Vasallen konnten ihrerseits wiederum nachgeordnete Unter- vasallen halten. An der Spitze dieser Ordnung jedoch stand der König als oberster Lehensherr. Auf ihn liefen letztlich alle lehensrechtlichen Bindungen zu. In diese Lehenspyramide war der Adel vollständig eingebun- den. Dadurch sollte verhindert werden, dass Adelige gegenüber dem König zu mächtig wurden. Diese Form des Staatsaufbaus gründet auf einer Ver- bindung der führenden Personen untereinander (Perso- nenverband). Das wird auch als Personenverbandsstaat bezeichnet. Die Geistlichkeit im Dienste des Reiches Anfangs zog der König (Lehensherr) das Lehen nach dem Tod des Vasallen wieder ein, um es an einen neuen Lehensmann seiner Wahl zu vergeben. Die regionalen Machthaber setzten jedoch recht bald die Erblichkeit ihrer Dienstgüter und Ämter durch. Somit wurde die Macht des Königs empfindlich geschwächt. Schon Kaiser Otto I. stützte sich daher auf die Kirche und ihre Würdenträger. Er verlieh den Bistümern und Klöstern Königsschutz und den Bischöfen und Äbten Lehensgüter. Da diese keine erbberechtigten Kinder hatten, fiel das Lehen nach deren Tod wieder an die Krone zurück. Solcherart banden die deutschen Könige die Kirche in die Verwaltung des Reiches ein und mach- ten sie zu einer wichtigen Stütze des Königs gegenüber dem weltlichen Adel. Daher waren die Könige sehr da- rauf bedacht, Bischöfe und Äbte einzusetzen, die ihren Vorstellungen und Wünschen entsprachen (Reichskir- chensystem). „Das Haus Gottes ist dreigeteilt“ Die Einteilung der mittelalterlichen Gesellschaft in die klassischen drei Stände – Lehr-, Wehr-, Nährstand: Geistlichkeit, Ritterschaft und Bauern – gehört, wie die Quellenstellen belegen, bereits von Beginn an zum Selbstverständnis der damaligen Menschen. Q Das Haus Gottes, das man eines wähnt, ist drei- geteilt. Hier auf Erden beten (orant) die einen, andere kämpfen (pugnant), und noch andere arbei- ten (laborant); diese drei gehören zusammen und ertragen nicht, entzweit zu sein. Auf der Arbeit des einen beruhen die Werke der beiden anderen, und alle lassen jeweils allen ihre Hilfe zuteil werden. (Bischof Adalbaro von Laon, um 1030; nach: Duby, Die drei Ordnun- gen, 1986, S. 16) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Beschreibe den Kalender auf der linken Seite. Was sagt er einerseits über die Abgabeleistungen der Bauern, an- dererseits über deren Eingebundenheit in das Kirchenjahr aus? 2. Wen begünstigt, wen benachteiligt eine auf Lehensver- gabe gegründete gesellschaftliche Ordnung? 3. Was bedeutet es für die Lebensgestaltung der (einzel- nen) Menschen, wenn die gesellschaftliche Ordnung als „von Gott hergestellt“ verstanden wird?  Der Festkalender dokumentiert die Abgaben und Dienste der Bauern für ihre Grundherren: Dammschutzbau gegen Überschwemmungen. Abgabe von Ernteerträgen. Lämmerabgabe am 1. Mai (grüner Baum). Pflege von Obst- und Weingärten am 25. Mai (Urbanstag – der Hack- block deutet den Märtyrertod dieses Heiligen an). Am 24. Juni ist der Viehzehent fällig, am 13. Juli (Margaretentag – die Heilige besiegt den Teufel) der Kornzehent. Am 15. August (Mariä Himmelfahrt – zugleich Tag der Kräuterweihe) ist der Gänsezehent zu leisten. Die Geldzinsab- gabe ist der 24. August (Bartholomäustag – der hl. Bartholomäus trägt sein Merkmal, die abgezogene Haut). 71 Das Mittelalter 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum de Verlags öbv

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