Zeitbilder 5/6, Schulbuch

2.3 Das Reich der Franken – gestaltende Kraft in Europa Das Reich der Franken wurde zum mächtigsten und wirkungsvollsten Staat der Germanen. Es nahm neben dem Byzantinischen Reich und dem Reich der Araber als drittes Reich eine Mittlerstellung zwischen der Spä- tantike und demMittelalter ein. Für Europa war es über- dies als Wiege mehrerer Reiche (Frankreich, Deutsches Reich, Italien, Burgund) von außerordentlich prägender Kraft. Die Gesamtepoche des fränkischen Großreiches war durch zwei Herrschergeschlechter bestimmt: durch die Merowinger und die Karolinger. Die Merowinger – Einigung und Expansion Stämme der Franken waren, wie andere Germanen- stämme auch, seit der Mitte des 4. Jh. in den gallo-(= kelto-)römischen Raum eingesickert. Das führte zu ei- ner kelto-romanisch-germanischen Mischzivilisation. Chlodwig (482–511) war zunächst noch – wie sein Va- ter – König eines fränkischen Stammes und zusätzlich Kommandant in der römischen Provinz Belgica II. Er be- seitigte die letzten Reste römischer Herrschaft, indem er den römischen Statthalter des Gebietes zwischen Seine und Loire besiegte. Als überragende Herrscherpersön- lichkeit der Merowinger betrieb er zielbewusst die Eini- gung der verschiedenen Frankenstämme unter ihm als einzigem König. Seine fränkischen Königskollegen so- wie seine Verwandten ließ er entweder ermorden oder ihnen die Haare scheren, um ihnen Macht und Königs- würde zu nehmen. Bischof Gregor von Tours (573–594/95), der Chronist der frühen Merowinger, veranschaulichte in seiner Historia Francorum an einem Beispiel Chlodwigs Vorgangsweise: Q Als er eines Tages seine Leute versammelt hatte, soll er zu ihnen von seinen Blutsverwandten, die er ermordet hatte, so geredet haben: „Weh mir, dass ich nun wie ein Fremdling unter Fremden stehe und keine Verwandten mehr habe, die mir, wenn das Un- glück über mich kommen sollte, Hilfe gewähren kön- nen!“ Aber er sprach dies nicht aus Schmerz um den Tod derselben, sondern aus List, ob sich vielleicht noch einer fände, den er zu töten vergessen hatte. (Gregor v. Tours, Geschichte der Franken, II. Buch, Kap. 42) Vorstöße seiner Söhne führten bis nach Oberitalien und bis zu den Pyrenäen. Damit waren im Wesentlichen die Grenzen des Frankenreiches für lange Zeit festgelegt. Erst unter den Karolingern erfolgte eine weitere Aus- dehnung. Christianisierung – Sicherung der Macht im Inneren Neben dem Aufbau des fränkischen Großreiches war Chlodwigs wichtigste Entscheidung der Übertritt zum katholischen Glauben (um 500). Um die Herrschaft in seinem Großreich längerfristig zu sichern,musstesichChlodwigderZustimmungderkelto- romanischen „Restbevölkerung“, die bereits überwie- gend dem christlichen Glauben anhing, vergewissern. Diese bildete nämlich bei einer Zahl von bloß ca. 150 000 bis 200 000 Franken bei weitem die Mehrheit. Überdies besetzten römische Adelsgeschlechter nach wie vor führende Stellen in der Verwaltung und in der Kirche. Sie waren daher für die Festigung seiner Herrschaft im Inneren von größter Bedeutung. Mit seinem Übertritt zum katholischen Glauben sicherte er sich deren Un- terstützung. Die Karolinger – ein neues Geschlecht auf dem fränkischen Thron Ständige Machtkämpfe innerhalb des Königsgeschlech- tes der Merowinger ließen den Adel zunehmend mäch- tiger werden. Die Hausmeier als die höchsten königli- chen Verwaltungsbeamten stiegen im Laufe des 7. Jh. zu den eigentlichen Trägern der Macht auf. Aus den Kämpfen der Hausmeier der verschiedenen Teilreiche um die politische Führung gingen die Karolinger als Sie- ger hervor. Sie überwanden die innenpolitischen Wir- ren und beschnitten die Macht der übrigen Adeligen. Karl Martell konnte überdies mit seinem Reiterheer die Bedrohung durch die Araber für den Westen Europas in der Schlacht von Poitiers (732) endgültig abwenden. Dadurch erlangte er großes Ansehen. Als faktischer Alleinherrscher ließ der Sohn Karl Mar- tells, der regierende Hausmeier Pippin, beim Papst an- fragen: Q Wegen der Könige in Francien, die damals kei- ne Macht als Könige hatten, ob das gut sei oder nicht. Und Papst Zacharias gab Pippin den Bescheid, es sei besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht habe, statt den, der ohne königliche Macht blieb. (Reichsannalen, Das Frankenreich, 1982, S. 22) London Bremen Erfurt Regensburg Werden Köln Nimwegen Aachen Herstal Tournai Mainz Trier Ponthion Attigny Reims Quierzy Nantes Tours Poitiers Paris Ingelheim Lorch Fulda Augsburg Salzburg Aquileja Straßburg Reichenau SanktGallen Mailand Pavia Ravenna Neapel Rom Barcelona Arles Narbonne Bordeaux Cluny Verdun Toulouse Vienne Lyon W e i c h s e l Oder Theiß Donau D o n au Drau Inn E t s c h R h e i n S e i n e L o i r e Po Rhône Ebro El b e P O L A N E N TSCHECHEN MÄHRER S O R B EN WI S L A N E SLOW KROATEN SERBEN SLO W E NEN KA R A N T A NEN F r i e s l a n d S a c h s e n 7 7 2 / 8 0 4 A u s t r i e n Thü- ringen 531 N e u s t r i e n 4 8 6 Aquitanien 507 Bretagne S pa n i s c h e M a r k 7 9 5 EMIRAT VON CÓRDOBA B a l e a r e n Sardinien Korsika Sizilien Hzm. Benevent 787 K i r c h e n s t a a t K g r . I t a l i e n Friaul B u r g u n d Alamannien 496/506 B a y e r n 5 3 6 , 7 8 8 Ost- mark Pannonische Mark 795 Lombardei 754 - 7 9 8 f r ä nk . 812 532/34 537 531 ASTURIEN 774 532 Anlage von Marken Einflussgebiete 774 Jahr der Eroberung Frankenreich beim Tode Chlodwigs (511 n. Chr.) Eroberungen unter Karl dem Großen (768-814) Frankenreich bei Herrschafts- antritt Karls des Großen (768) slawischer Volksstamm Gebiete islam. Staaten um 800 Oströmisches Reich um 800 SORBEN bedeutendes Kloster wichtige karolingische Königspfalz M i t t e l m e e r A d r i a Nordsee K a n a l Genua Venedig Gebiet der Angelsachsen  Die Ausbreitung der Franken. Beschreibe, wie sich das Frankenreich unter der Herr- schaft Karls des Großen ausdehnte. 66 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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