Zeitbilder 5/6, Schulbuch

2.1 Größe und Untergang des Oströmischen Reiches  Ansicht der Stadt Konstantinopel mit einem Zug von Tänzern und Mu- sikanten, Buchmalerei, England um 1340. Beschreibe das Bild sehr genau. Wie wurde Konstantino- pel von den (christlichen) Zeitgenossen wahrgenommen? L Oft wird behauptet, dass Künste und Wissen- schaften, dass das ganze kulturelle Leben in der Zeit von 400 bis 1400 (Mittelalter) zum Stillstand ge- kommen sei. Diese Deutung der Geschichte ist eine Missdeutung. Denn zwischen dem alten Römischen Reich und der italienischen Renaissance lag das gro- ße Zeitalter von Byzanz. Es überdauerte etwa elf Jahr- hunderte und bildete eine nicht fortdenkbare Brücke zwischen der Antike und der modernen Welt. (Sherrard, Byzanz. Kaisertum zwischen Europa und Asien, 1972, S. 10) Diese Aussage zeigt, dass es für das Verständnis der (neuzeitlichen) europäischen Kultur wichtig ist, sich mit dem Reich von Byzanz, dem Oströmischen Reich, zu be- fassen. Das Byzantinische oder Oströmische Reich entstand nach der Reichsteilung von 395 aus der östlichen Hälfte des Römischen Imperiums. Sein Gebiet erstreckte sich anfangs bis zur arabischen Halbinsel und über Nordaf- rika bis zum Atlantik. Ab dem 7. Jh. blieb es aber weit- gehend auf Kleinasien und Südosteuropa beschränkt. Konstantinopel – eine Stadt prägt ein Großreich Der geistige Mittelpunkt innerhalb der elfhundertjäh- rigen Geschichte des Oströmischen Reiches war Kons- tantinopel. Mit der Gründung dieser neuen Hauptstadt durch Kaiser Konstantin I. im Jahr 324 auf der alten griechischen Siedlung Byzantion am Bosporus erhielt der hellenistische Osten des Imperium Romanum einen eigenen politischen Mittelpunkt. Dieses „Neue Rom“ markierte für das alte, noch überwiegend heidnische Weltreich einen Neuanfang in christlichem Glauben. Überall in der Stadt betonten Kirchen und christli- che Symbole wie Kreuze und Heiligenreliquiare ihren christlichen Charakter. Straffe Verwaltung stärkt den Staat Der Historiker Ernst Pitz beschreibt die Verwaltung des Oströmischen Reiches unter Kaiser Justinian (527 – 565): L In Zivilverwaltung und Heeresorganisation, im wirtschaftlichen und sozialen Aufbau fußte das Reich noch ganz auf der Ordnung der Kaiser Diok- letian und Konstantin (vgl. S. 44f.). Vor allem erhielt sich das (im Westen zugrunde gehende) System der Steuer- und Finanzverwaltung, das auf dem Umlauf gemünzten Geldes beruhte. Da (…) die hohen Ver- waltungsämter (…) stets nur für ein Jahr vergeben wurden, blieb die Verwaltung fest in der Hand des Kaisers. Nirgends gelang es dem Adel, seine Stel- lung durch erblichen Besitz von Gütern und Ämtern zu verankern. (Pitz, Mittelalter, In: Elze/Repgen (Hg.): Studienbuch Geschichte, Bd. 1, 2000, S. 323.) Politische Blüte und Untergang Ostroms Nachdem die Gefahr der einbrechenden Hunnen und Germanen im 4. und 5. Jh. gebannt war, konnte sich das Oströmische Reich wieder festigen. Unter Kaiser Justinian gelang es für kurze Zeit ein letztes Mal, den lateinisch-germanischen Westen mit dem griechischen Osten in einem Gesamtreich zusammenzufassen. Seit dem Ende des 6. Jh. begannen sich Slawen (z.B. Bul- garen, Serben) auf Reichsboden niederzulassen. Mit den Arabern, die der Islam geeint hatte, entstanden im Südosten neue feindliche Nachbarn. An sie gingen im Verlauf des 7. und 8. Jh. die Provinzen Syrien, Palästina und Ägypten verloren. Nach der Eingliederung des Bul- garischen Reiches stand das Oströmische Reich um die Jahrtausendwende auf dem Höhepunkt seiner Macht. Thronstreitigkeiten und neue Gegner (Normannen, Kreuzfahrer, italienische Seestädte – allen voran Ve- nedig) führten zum Abstieg. Im Jahr 1354 übersetzten türkische Stämme, die den Islam angenommen hatten, erstmals die Dardanellen. Sie unterwarfen zunächst das Serbische, dann das Bulgarische Reich. Nach und nach eroberten die Türken alle Gebiete des Oströmischen Reiches. Im Jahr 1453 fiel schließlich auch Konstantino- pel in ihre Hände. Die Kirche als gestaltende Kraft in Ostrom Von Anfang an war das Christentum für das Oströmische Reich von wesentlicher Bedeutung. Kaiser Konstantin wurde von der Kirche des 4. Jh. als Retter des Chris- tentums und als Ordner bei ihren inneren Auseinander- setzungen (z. B. auf dem Konzil von Nikäa) betrachtet. Da sich alle byzantinischen Kaiser als Nachfolger Kon- stantins verstanden, beanspruchten sie Autorität auch in kirchlichen Fragen. Der Patriarch von Konstantinopel hatte dagegen nie, wie der Bischof des alten Rom, auf Grund des Zusammenbruches der weltlichen Macht, eine politische Aufgabe zu übernehmen. Ihm verblie- ben lediglich die innerkirchlichen Aufgaben. 2. Erben der Antike: Byzantiner – Araber – Franken 62 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum de Verlags öbv

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