Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Seit der Herausbildung einer differen- zierten Gesellschaft in den Hochkultu- ren kennen wir eine besondere Art der Abhängigkeit des Menschen von ande- ren Menschen – die Sklaverei! Wenn es auch im Wandel der Jahrtausende ver- schiedene Ausformungen der Sklaverei gab, so verstehen wir darunter immer noch: den Verlust der persönlichen Freiheit – – und damit aller persönlichen Rechte durch völlige Abhängigkeit von einer anderen Person, in deren Eigentum ein Sklave gleichsam übergeht; die unbeschränkte Gewalt über diese – – Menschen, die bis zur Macht über Leben und Tod reichen kann. „Sklaverei gibt es doch heute nicht mehr ...“ Am 10. Dezember 1948 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, deren erster Artikel besagt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde geboren“. Und in der Europäischen Menschenrechtskonven- tion (Artikel 4) heißt es nicht nur „Nie- mand darf in Sklaverei oder Leibeigen- schaft gehalten werden“, sondern auch „Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten“. Doch das Bekenntnis der UN-Mitgliedstaaten zum Verbot der Sklaverei steht in krassem Widerspruch zu erschütternden Berichten einer ös- terreichischen Tageszeitung: Q UN fürchtet Drama um Kin- dersklaven – 200 verkauf- te Kinder seit Tagen verschollen Ein Schiff mit vermutlich 200 Kin- dersklaven an Bord ist vor der Küs- te Westafrikas seit Tagen verschol- len. Die „MV Etireno“ war am 30. März von Cotonou, Benin, aufge- brochen und sollte die Kinder nach Gabun bringen. Dort wies man das Schiff jedoch ab; ebenso in Doua- la, Kamerun. Seither ist es auf Irr- fahrt. Die dauert nun schon mehr als zwei Wochen. In Douala erfuhr man von den erkrankten Kindern. Die UNO will die Kinder zu den Familien zurückbringen. Der Vor- fall wirft ein trauriges Licht auf die Zustände, wie sie in vielen Staaten der Dritten Welt herrschen. Fami- lien in Ländern wie Benin, Togo oder Mali verkaufen ihre Kinder um etwa 250 Schilling [€ 18,17] als Sklaven an Coca- oder Kaffee- plantagenbesitzer oder auch an- dere Familien in wohlhabenderen Ländern wie Gabun oder Elfen- beinküste. Die Kinder müssen 12, manchmal auch bis zu 16 Stunden am Tag arbeiten, werden oft miss- handelt oder sexuell missbraucht. Interpol und UNO kämpfen ver- zweifelt gegen die meist gut orga- nisierten Schlepperbanden – mit geringem Erfolg. Weitere Zentren des Kinderhandels: Indien, Pakis- tan, Nepal. (Kurier, 17. 4. 2001) Sklavenhandel ist aber keineswegs auf Staaten der Dritten Welt beschränkt. Auch Europäer/innen sind heute noch vom Schicksal der Sklaverei betroffen: Q Im toten Winkel Europas Menschenrechtsorganisatio- nen [versuchen] die Sex-Sklaverei in der kleinen Balkan-Republik [Moldawien] einzudämmen. Sie schätzen, dass bereits 100 000 jun- ge Moldawierinnen in den Bordel- len des Mittelmeerraums arbeiten. Die skrupellosen Menschenhänd- ler kassieren für einMädchen unter 15 Jahren bis zu 20 000 Euro. Pro- stitution ist eine der wenigen wirk- lich profitablen Einnahmequellen in Moldawien. Eine weitere Quelle soll der Handel mit menschlichen Organen sein. Kriminelle Banden schleppen ihre Opfer in die Tür- kei, wo sie sie operieren lassen. Die ehemalige Sowjetrepublik ist laut Statistik das ärmste Land Eu- ropas. Sein Bruttonationalprodukt beträgt nicht einmal die Hälfte des albanischen. (Kurier, 15. 7. 2002) Sind dir ähnliche Berichte aus den Medien bekannt? Kennst du andere Formen von Sklaverei in der Gegenwart? Was bezeichnet man heute als „Sklavenarbeit“? Die Antike als schlechtes Vorbild Schon in der Antike war die Verschul- dung der wirtschaftlich Schwachen ein häufiger Grund für die Versklavung. Sie hafteten den Gläubigern nicht nur mit ihrem Besitz, sondern auch mit ihrer Person und der ganzen Familie. Wäh- rend in Athen der Politiker Solon diese Schuldknechtschaft schon 594 v. Chr. mit einer radikalen Gesetzesreform aufhob, wurde sie in Rom erst im spä- ten 4. Jahrhundert v. Chr. abgeschafft. Wie streng gegen solche Schuldner vorgegangen wurde, beweist das Zwölf- Tafelgesetz: Q Nach dem Recht der (gericht- lich) anerkannten Geldschuld (...) sollen 30 Tage (Erfüllungsfrist) zu Recht bestehen. Danach soll die Ergreifung (des Schuldners) statthaft sein. Er (der Gläubiger) soll ihn vor Gericht führen. Erfüllt er seine Urteilsverpflichtung nicht oder übernimmt niemand für ihn vor Gericht Bürgschaft, soll ihn der Gläubiger mit sich führen, fesseln, entweder mit einem Strick oder Sklaverei – Unmenschlichkeit seit Jahrtausenden  Kriegsgefangene Nubier (links) und Syrer (rechts) werden in die Sklaverei geführt, ägyptisches Relief, Abu Simbel. 52 Politische Bildung – Kompetenztraining Läng schnitt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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