Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Unterschichten in der Stadt und auf dem Land Weder in der Republik noch zur Kaiserzeit herrschte all gemeiner Wohlstand. Nur die dünne Oberschicht, die vielleicht ein Prozent des 50 bis 80 Millionen Einwohner zählenden römischen Reiches ausmachte, lebte in wirk lichem Wohlstand, ja Luxus. Während reiche Familien in luxuriösen städtischen Palästen oder prächtigen Vil len auf dem Land lebten, wissen wir aus Ägypten, dass häufig 10 Familien in einem primitiven Haus zusam mengepfercht waren. Aber auch die 700 000 bis 800 000 Menschen der stadtrömischen Plebs mussten in hässli chen, oft baufälligen Mietskasernen ihr Dasein fristen. Die Mieten waren hoch, sodass oft zehn und mehr Per sonen in einem Raum leben mussten, hygienische Ein richtungen waren eine Seltenheit. Der römische Dichter Juvenal bietet uns aus dem 1. Jh n. Chr. ein anschauliches Bild: Q Bangt oder bangte vorm Einsturz des Hauses im kühlen Praeneste je ein (reicher) Bürger? (...) Wir aber hausen zumeist in Gebäuden mit Stützbalken leichter Art; nur solche zieht der Verwalter ein, wenn die Wand schwankt. Hat er die alten Risse verstopft, dann sagt er, wir sollten ruhig schlafen, obgleich die Gefahr des Einsturzes dauert. Wahrlich, leben sollte man dort, wo Brände nicht schrecken, dort, wo Alar- me nicht wecken! (...) Weil es an Schlaf fehlt, gehen in Rom viele Kranke zu Grunde, und die Krankheit kommt von der schlechten Verdauung der schweren, magenentzündenden Kost. Doch wen lässt die Miets- wohnung schlafen? Viel Geld kostet der Schlaf in der Hauptstadt, das ist des Übels Kern! (...) Nun erwäge noch andere Gefahren, die nachts uns bedrohen. Himmelhoch über der Straße sind Dächer, von de- nen – wie oft! – ein Ziegel herabkracht, uns auf den Schädel. Da sind die Fenster: Wie oft wirft man altes, zerbrochenes Geschirr herunter. (Juvenal, Satiren III, 190 ff.) Juvenal (60 – 140 n. Chr.) war ein römischer Satirendich- ter. Begründe, welche Textelemente eher in den Bereich der Satire gehören und welche der Lebenswirklichkeit im antiken Rom wahrscheinlich am nächsten kommen. Während die Reichen bei geschickter Kapitalinvestition schnell reicher werden konnten, stiegen die Armen nur selten auf. Höchstens 4 Sesterze erhielt ein Tagelöhner als kärglichen Lohn, so viel wie ein Modius (ca. 8 Liter) Weizen kostete. Dies bedeutete ein Leben am Existenz minimum, d. h. sparen beim Essen, Wohnen und bei der Kleidung. Folgten dann noch Missernten oder hiel ten die Getreidehändler aus preispolitischen Gründen ihre Produkte zurück, dann kam es zur Krise. Schlechte Ernten führten oft zu einer katastrophalen Ernährungs situation, auch für die Menschen auf dem Land. Wie arm die Bevölkerung teilweise war, bestätigen auch Beispiele aus der Provinz Ägypten: Wenn 64 Bauern familien nur ein Joch Grund (5 700 m 2 ) zur Verfügung stehen oder 6 Familien einen einzigen Olivenbaum als gemeinsames Eigen nennen können, dann wundert es nicht, wenn sich mancher Freigeborene freiwillig als Sklave an einen Herrn verkaufte. Damit ersparte er sich die Kopfsteuer, die jeder Provinzbewohner auch ohne Grundbesitz leisten musste. Die römische Frau – angesehen, aber politisch rechtlos Wie in Athen war auch die Frau in Rom politisch recht los und konnte kein Rechtsgeschäft ohne einen Mann durchführen. Schon seit der römischen Frühzeit galt der pater familias, der Vater der Familie, als souverä nes Oberhaupt des Hausverbandes, dem alle Personen und Sachen (dazu zählten auch die Sklavinnen und Sklaven) unterstanden. Er besaß die unumschränkte väterliche Gewalt über alle Familienmitglieder, konnte also auch über Leben und Tod seiner Frau entscheiden. Dennoch unterschied sich die Stellung der Römerin aus der Oberschicht von jener der Frau eines attischen Bürgers: Das Haus war zwar ebenso Mittelpunkt ihres Lebensinteresses wie bei der Athenerin, doch sie war nicht in den Gynaikon verbannt. Sie „beherrschte“ das Atrium, den zentralen Wohnraum des römischen Hau ses, erzog dort die Kinder und empfing an der Seite ih res Mannes die Gäste. Die begüterte römische Frau trat in der Öffentlichkeit auf, wenn ihr auch die Teilnahme Die „Via Stabiana” in Pompeji. Die Stadt war durch den Ausbruch des Vesuvs am 24. August des Jahres 79 n. Chr. total von Asche bedeckt worden. Bäckerladen, römische Wandmalerei, 1. Jahrhundert (aus Pompeji, Haus des Bäckers). 47 2 Die antike Welt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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