Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Staatliche Eingriffe in das kirchliche Leben Joseph hob alle Klöster in seinem Herrschaftsbereich auf, deren Mitglieder keinen sichtbaren Nutzen für die Gesellschaft erbrachten. Er ließ nur die Orden bestehen, die sich der Seelsorge, der Krankenpflege oder dem Un- terricht widmeten. Rund ein Drittel aller Klöster war von der Aufhebung betroffen. Das beschlagnahmte Vermögen der aufgelösten Klöster ging an den Religionsfonds. Dieser wurde zur Finanzie- rung kirchlicher Einrichtungen verwendet. Er erlaubte es der katholischen Kirche in Österreich, bis zum Jahre 1938 ohne Kirchensteuer auszukommen. Joseph reformierte die Diözesan- und Pfarreinteilung. Dadurch wurde die Seelsorge verbessert: Kein Ort sollte weiter als eine Gehstunde von seiner Pfarrkirche ent- fernt sein. Für Joseph war der Priester Staatsbeamter. Deshalb gründete er Priesterseminare, in denen der junge Klerus zu regierungstreuen Dienern herangezogen wurde. Aber selbst in die religiösen Gebräuche griff der Kai- ser ein. Er bestimmte die Zahl der Kerzen während der Messe. Er stellte eine Begräbnisordnung auf: Q Weil bei den Toten der einzige Zweck die Verwe- sung sei, so sollten diese in Hinkunft ganz ohne Kleidung in ein Tuch eingewickelt und mit Kalk be- streut werden. (Zens, Geschichte aktuell 2, 1981, S. 103) Er ließ sogar einen Sarg für mehrfache Verwendung entwerfen. Dieser hatte einen Boden, den man öff- nen konnte. Nach dem Begräbnis sollte der Sarg dann leer wieder vom Grab weggetragen werden. Solche Maßnahmen riefen eine große Verärgerung in breiten Schichten der Bevölkerung hervor. Aufhebung der Leibeigenschaft Im Sinne der Physiokraten (vgl. S. 161) hob Joseph II. die Leibeigenschaft auf. Q Da Wir in Erwägung gezogen, dass die Aufhe- bung der Leibeigenschaft und die Einführung einer gemäßigten (…) Unterthänigkeit auf die Ver- besserung der Landeskultur und Industrie den nütz- lichsten Einfluss habe und dass Vernunft und Men- schenliebe für diese Änderung das Wort sprechen, so haben Wir Uns veranlasst gefunden, von nun an die Leibeigenschaft gänzlich aufzuheben. (…) Erstens: Ist jeder Unterthan blos gegen vorherige An- zeige und unentgeltliche Meldezettel sich zu verehe- ligen berechtigt. Zweytens: Jedem Unterthan frey steht, (…) von der Herrschaft hinwegzuziehen und inner Landes an- derswo sich niederzulassen oder Dienste zu suchen. Drittens: Können die Unterthanen nach Willkuhr Hand- werke und Künste etc. erlernen und (…) ihrem Nah- rungs-Verdienste, da wo sie ihn finden, nachgehen. Viertens: Sind die Unterthanen künftig einige Hof- dienste zu verrichten nicht mehr schuldig. (Kleindel, Urkund dessen …, 1984, S. 189) Fasse die Bestimmungen dieses Dokuments zusammen. Welche Rechten und Pflichten für die Untertanen lassen sich darauf folgern? Gründung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien In vorbildlicher Weise sorgte Joseph für arme und kran- ke Menschen. Er errichtete in Wien das Allgemeine Krankenhaus, ein Taubstummeninstitut, Waisen- und Invalidenhäuser. Geisteskranke, die bisher wie Verbre- cher in Gefängnissen gehalten wurden, erhielten ärzt- liche Behandlung: Joseph II. ließ die erste Irrenanstalt der Welt erbauen („Kaiser-Joseph-Gugelhupf“). Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die wichtigsten Reformen Maria Theresias nach folgenden Aspekten zusammen: Bildung, Militär, Verwaltung, Rechtsprechung, Finanzen, Wirtschaft und Kirchenpolitik. 2. Erkläre den Begriff „Aufgeklärter Absolutismus“. 3. Fertige ein Schaubild nach dem Muster auf Seite 258 („Die Reformen Maria Theresias“) zum Thema: „Die Refor- men Josephs II.“ an. W Das Allgemeine Krankenhaus in Wien, in der Mitte des Bildes der „Narrenturm“. Seine Gründung durch Joseph II. kommt einer weiteren Forderung der Aufklärung nach. 259 Österreich im Mittelalter und in der Neuzeit 7 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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