Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Das Industriezeitalter In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte in England • die Epoche der Industrialisierung ein, weil dort wichtige Vor- aussetzungen gegeben waren: genügend Rohstoffe, günstige Verkehrswege, große Kapitalreserven, genügend Arbeitskräf- te und investitionsfreudige Unternehmer. Das starke Wirtschaftswachstum führte zum Ausbau eines • internationalen Warenverkehrs. Der ständig steigende Kapi- talbedarf (für große Industrieanlagen und Bergwerke, für den Ausbau des Eisenbahnnetzes) führte zur Gründung von (Akti- en-)Gesellschaften und großen Bankinstituten. Der „Wiener Börsenkrach“ (1873) löste die erste große eu- • ropäische Wirtschaftskrise aus: Tausende Betriebe gingen bankrott, Arbeiter/innen verloren ihren Arbeitsplatz. Die Dampfmaschine von Watt-Boulton war der Motor der • „Ersten Industriellen Revolution“: Sie wurde im Bergbau, in der Eisen- und Textilindustrie eingesetzt. Erfindung der Spinnmaschine (1764) / des mechanischen • Webstuhls (1784) revolutionierten die Textilindustrie. Die Erfindung der Dampflokomotive (Trevithick, Stephenson) • revolutionierte das Transportwesen: Eröffnung der Eisen- bahnlinie Stockton – Darlington (1825), der „Kaiser-Ferdi- nand-Nordbahn“ (1837), der Semmeringbahn (1854). Die Erfindung des Dampfbootes revolutionierte die Schiff- • fahrt: (USA, 1786); Überquerung des Atlantiks mit einem Raddampfer (1819); Erfindung der Propellerschraube (Res- sel, 1829). Die Erfindung des Morsetelegrafen (1837) und des Telefons • (1872) revolutionierten das Nachrichtenwesen. 1882 er- strahlte ein New Yorker Stadtteil erstmals in elektrischem Licht (Edison), mit der Erfindung des Dynamos (Siemens, 1866) begann die Starkstromtechnik. Das Automobil-Zeitalter wurde durch die Erfindung des Gas- • motors (Otto, Daimler) und des Benzinmotors (Marcus) um 1876 eingeleitet. Henry Ford machte das Automobil durch die Einführung des Fließbands (1913) zum Massenprodukt. Knapp vor Beginn des 20. Jh. unternahmen die Brüder • Wright und Otto Lilienthal ihre ersten Flugversuche. Bereits 1927 überquerte Lindbergh mit einem Flugzeug den Atlantik. Die „Industrielle Revolution“ führte zu Landflucht und einem • explosionsartigen Anstieg der Bevölkerung in den Städten. Dort war die Lebenssituation der Arbeiter/innen zumeist katastrophal (Hunger, Wohnen im Elend). Für das Überangebot an Arbeitskräften gab es Hungerlöhne, • überlange Arbeitszeiten, fehlende Hygiene- und Sicherheits- einrichtungen in den Fabriken. Frauen und Kinder arbeiteten ebenfalls in den Fabriken und • wurden damit zu Konkurrenten der Männer um den Arbeits- platz. 1833 wurde das erste Arbeitsverbot für Kinder (unter 9 Jahren) erlassen. „Frühe Sozialisten“ gründeten bereits Genossenschaften und • Gewerkschaften (Owen) oder forderten staatliche Betriebe (Blanc). Marx und Engels begründeten den Wissenschaftli- chen Sozialismus. In der 2. Hälfte des 19. Jh. setzte die Arbeiterschaft ihre • Forderungen schrittweise durch: Zusammenschluss zu Ge- werkschaften und Arbeiterparteien, Gründung von Selbst- hilfevereinen, Erkämpfen des Streikrechts, Einführung einer Kranken- und Unfallversicherung, Reduzierung der täglichen Arbeitszeit. Manche Unternehmer verbesserten von sich aus die Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Arbeiter/innen. Dafür forder- ten sie strengste Disziplin und Arbeitsfleiß sowie ein Verbot jeder politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeit. 1891 nahm erstmals ein Papst (Leo XIII.) zur Arbeiterfrage • Stellung: In der Enzyklika „Rerum novarum“ lehnte er den Marxismus scharf ab. Liberalismus und Nationalismus Seit der Französischen Revolution (1789), besonders aber • seit der Julirevolution in Frankreich (1830) wurden liberale Ideen in verschiedenen europäischen Staaten umgesetzt (Belgien, England). Im Revolutionsjahr 1848 gab es in vielen Staaten Europas • eine neuerliche Revolution – so auch in Österreich und Un- garn, die aber vom Nachfolger Ferdinands I., Kaiser Franz Joseph I., mit militärischer Gewalt niedergeschlagen wurde. 1870 erreichte der Liberalismus seinen Höhepunkt – liberale • Minister saßen nun in den Regierungen vieler europäischer Staaten. In der Französischen Revolution wurde der Begriff der „Nati- • on“ erstmals wichtig für die Mobilisierung der Massen. 1861 wurde der Norden und Süden Italiens, nach Aufstän- • den und Kämpfen vor allem gegen habsburgische Herrschaft und die Bourbonen in Süditalien, zu einem gemeinsamen Königreich vereint. 1870 wurde auch Rom in den neuen Nationalstaat eingegliedert. Die deutsche Einigung wurde 1834 mit der Gründung des • Deutschen Zollvereins eingeleitet. Nachdem die Gründung eines Deutschen Reiches 1848/49 gescheitert war, führte Bismarck den Plan einer deutschen Einigung fort. Nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich (1870/71) wurde 1871 im Schloss Versailles das Deutsche Kaiserreich ausgerufen. Imperialismus und Erster Weltkrieg Die Jahrzehnte von ca. 1880 bis 1914 werden auch als die • Epoche des Imperialismus bezeichnet. Zu den wichtigsten Kolonialmächten zählten Großbritannien, Frankreich, Belgi- en, das Deutsche Reich, Italien und die USA. Kolonien galten als Stützpunkte, Siedlungsräume, Rohstoff- • lieferanten, Absatzmärkte oder als Prestigeobjekte. Auf einer Konferenz 1884/85 in Berlin sicherten sich die • europäischen Staaten ihre Interessen in Afrika ab. 1869 wurde der Suezkanal fertig gestellt. Weil sich Ägypten • durch die hohen Baukosten übernommen hatte, wurde es einer europäischen Finanzaufsicht unterstellt. 1882 kam es unter direkte britische Herrschaft. Unter dem Druck britischer Kriegsschiffe öffnete China 1840 • die Häfen und gewährte freie Schifffahrt, Zoll- und Handels- begünstigungen. Hongkong wurde britische Kolonie (1842). 1911 wurde in China das Kaisertum gestürzt und die Repub- • lik ausgerufen. Trotz heftiger innerer Konflikte öffnete auch Japan nach • 1853 seine Grenzen und entwickelte sich bis 1890 zu einem wirtschaftlich und militärisch mächtigen Staat. 1898 übernahmen die USA auf Hawaii und Guam, auf Puerto • Rico und den philippinischen Inseln die Macht. Auf Kuba, Ha- iti und der Dominikanischen Republik erzwangen sie wie in ganz Mittelamerika ein „Recht auf Intervention“. In Panama sicherten sich die USA die Kanalzone. Von Beginn der Industrialisierung bis zum Ersten Weltkrieg 236 Basiswissen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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