Zeitbilder 5/6, Schulbuch
17. Feldpostkarten untersuchen Alltag und Propaganda im Ersten Weltkrieg Der Erste Weltkrieg wird häufig als erster „totaler Krieg“ der Ge- schichte bezeichnet. Damit meint man, dass nicht mehr nur die Soldaten massiv von den Auswirkungen des Krieges betroffen waren, sondern jeder Mensch in den kriegführenden Staaten, also auch Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die Regierun- gen versuchten bei der Zivilbevölkerung den Eindruck zu er- wecken, dass der militärische Sieg wesentlich davon abhinge, wie pflichtbewusst sie kriegsbedingte Arbeiten verrichten. Im Laufe des Krieges wurde die Produktion von Rüstungsmaterial immer mehr angekurbelt. Deshalb führte man eine staatliche Wirtschaftslenkung (Zwangswirtschaft) ein. In den Industriebe- trieben wurden teilweise über 100 Stunden pro Woche gearbei- tet, um den Materialbedarf der Front sicherzustellen. Frauen verrichteten nun verstärkt Arbeit in Rüstungsbetrieben. Um die katastrophale Ernährungslage zu verbessern, rief man die Men- schen zur intensiven Nutzung heimischer Naturprodukte auf. Frauen und Kinder sollten Blätter, Eicheln, Beeren und Früchte sammeln. Damit wurden Lebensmittel „gestreckt“ und Ersatz- produkte entwickelt. Kinder halfen auch bei Material-Samm- lungen: Immer wieder gab es Aufrufe, Gegenstände aus Mate- rialien, welche für die Rüstungsproduktion wertvoll waren, an Sammelstellen abzugeben. Viele Menschen, vor allem Frauen kamen diesen Aufforderungen nach und spendeten Schmuck und Gegenstände aus Gold, Silber, Aluminium und anderen wertvollen Rohstoffen. Immer wieder appellierten staatliche Stellen an die Opferbereitschaft der Zivilbevölkerung. Durch po- litische Propaganda sollten patriotische Gefühle, Kriegsbegeis- terung sowie Sieges- und Durchhaltewillen entfacht werden. Neben Plakaten, Flugblättern und Zeitungsberichten wurden nun auch Kriegswochenschauen und Propagandafilme genutzt. Ein Massenmedium dieser Zeit waren Feldpostkarten. Man versteht darunter Karten mit Bildmotiven und Sprüchen, wel- che Soldaten während des Krieges an Verwandte und Freunde sandten. Diese Karten erfreuten sich großer Beliebtheit – al- lein Soldaten der österreichisch-ungarischen Monarchie ver- schickten monatlich etwa 50 Millionen Feldpostkarten. Sie ent- halten unterschiedliche Inhalte: Manche zeigen Schlachtsze- nen, sie thematisieren den Heldenmut und die Tapferkeit der eigenen Truppen. Realistische Darstellungen der grauenhaften Fronterlebnisse werden aber vermieden. Einige Feldpostkarten zeigen gefühlvolle Szenen, welche die Sehnsucht der Soldaten nach ihren Angehörigen ausdrücken sollen. Es gibt auch Feld- postkarten, welche die Kriegsgegner auf eine hetzerische, ag- gressiv anmutende Weise darstellen, häufig mit den Mitteln der Karikatur. Feldpostkarten wurden von staatlichen Stellen, aber auch von privaten Verlagen und von Vereinen herausgebracht, die durch ihren Verkauf Geld für Kriegsopfer sammelten. W Feldpostkarte 1, Foto von 1915 zeigt einen offenbar verwundeten Soldaten, den Kopf eingebunden, der im Gras liegt und anscheinend an seine Lieben denkt. Text: „Die Sonne sank im Westen.“ 232 Methode – Kompetenztraining Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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