Zeitbilder 5/6, Schulbuch

13. Imperialismus – aus der Perspektive der Opfer Afrika wird den Afrikanern entrissen – „Wettlauf um Afrika“ Vielen Europäern galt Afrika als „weißer Fleck“ auf der Landkarte, dessen Geschichte kaum zur Kenntnis genommen wurde, obwohl der jahrhundertelange Skla- venhandel eine der Grundlagen für die Kapitalbildung vor der Industriellen Revolution war. Gegen Ende des 18. Jh. setzte die Erforschung Afrikas stärker ein. Ge- sellschaften wurden gegründet, wie z. B. 1788 die „Af- rican Society“ in London. Erkundet wurden Flussläufe, Rohstoffvorkommen, Nutzbarkeit des Bodens, Klima und Lebensgewohnheiten der Bevölkerung. Die gewon- nenen Erkenntnisse kamen auch dem Kolonialismus zugute. Die Forscher waren vielfach direkt im koloni- alen Interesse tätig. Ihnen folgten Händler, Siedler und Missionare. Seit 1842 bestand im südwestlichen Afrika und seit 1847 in Togo z. B. je eine deutsche Mission. Im 19. Jh. nahmen die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika zu. Dies führte zu einer stärkeren in- nereuropäischen Konkurrenz und Mächterivalität. Um 1880 verschärfte sich die Situation, als auch die jungen Nationalstaaten wie Belgien, Italien und Deutschland koloniale Ansprüche erhoben. Auf einer internationalen Konferenz 1884/85 in Berlin planten die Mächte, ihre Interessen in Afrika abzusichern. Ohne afrikanische Be­ teiligung entschieden die Regierungen Europas und der USA über Handels- und Schifffahrtsfreiheit im Bereich des Kongo und des Niger, über die Formen zukünfti- ger Besitzergreifungen sowie über die Abschaffung des Sklavenhandels. Kayoya, ein Schriftsteller aus Burundi, schreibt: Q In Berlin hat man unseren Kontinent aufgeteilt. Man kam, uns zu erziehen. Man kam, uns zu zivilisieren. Dieser Vertrag von Berlin hat mich lange gekränkt. Das Schlimmste aber war, dass man mich dieses Da- tum lehrte. Eine ganze Stunde lang nannte man uns die Namen der Vertragspartner von Berlin. Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, Den Mut der Forscher, Den selbstlosen Humanismus. Aber niemand, Absolut niemand wies hin auf die Beleidigung, Auf die Schmach, die uns Afrikaner überall beglei- tete. Mein Volk wurde zur Maschine. Es wurde aus der Ferne gesteuert, es war fast tot. Erstorben war das Bewusstsein seiner Persönlichkeit. Mein Volk war kolonisiert. (Kayoya, Schriftsteller aus Burundi; nach: Michler, Weißbuch Afrika, 1988, S. 82 f.) Im „Wettlauf um Afrika“ wurden Grenzen neu gezogen. Sie entsprachen dem Interessensausgleich der Kolonial­ mächte, nicht aber den traditionellen Siedlungsgrenzen. Der Aufstand der Herero und Nama – ein Beispiel für Widerstand und Völkermord Die Reaktionen der Afrikaner auf ihre koloniale Unter­ werfung waren vielfältig. Es gab Anpassung, Kollabora- tion, Resignation, aber auch Widerstand. Gegen Ende des 19. Jh. änderten sich die Lebensum­ stände vieler schwarzer Völker grundlegend. Dafür wa- ren mehrere Faktoren ausschlaggebend. Bei den Here- ro in Südwestafrika z. B. wirkten sich Rinderpest, Dürre und Malaria verheerend auf die Existenzgrundlagen aus. Gleichzeitig nahmen deutsche Siedler Land in Be- sitz und grenzten Weideflächen ein. Die Herero sahen sich vielfach gezwungen, Land zu verkaufen. Sie ver- armten zusehends und mussten sich bald als Lohnarbei- ter/innen verdingen. Dieser Vorgang wurde begleitet von einer ruinösen Landpolitik des Oberhäuptlings und gewinnsüchtigen Landverkäufen einzelner Häuptlinge. Als besonders bedrückend wurde von den Afrikanern jedoch die steigende Rechtsunsicherheit und die Einsei- tigkeit der Kolonialjustiz empfunden. Die Prügelstrafe gehörte zum „selbstverständlichen“ und als „unver- zichtbar“ erklärten Straf- und Zuchtmittel. Zu dieser Rechtsunsicherheit kamen erste Planungen von Reservaten seitens der deutschen Kolonialherren. Das war der Hintergrund für den Herero-Nama-Auf- stand von 1904/07, über dessen unmittelbare Anlässe der Oberhäuptling Samuel Maharero meinte: Q Der Krieg ist von ganz kleinen Dingen gekom- men, und hätte nicht zu kommen brauchen. Ein- mal waren es die (…) Kaufleute mit ihrem schreckli- chen Wucher und (…) gewaltsamen Eintreiben. Für (…) 1 Pfund Schuld wollten sie nach 12 Monaten 5 Pfund Zinsen haben. Wer nicht zahlen konnte oder wollte, den verfolgten oder plagten sie. Dann ist es der Branntwein gewesen, der die Leute schlecht (…) gemacht hat. (…) Aber das schlimmste Übel ist M a h d i Fu l r e i c h S a m o r i s Algier Tanger Timbuktu Léopoldville Stanleyville Windhuk Kapstadt Pretoria Nairobi AddisAbeda Faschoda Kairo Tobruk Tripolis A l g e r i e n L i b y e n Tunesien Marokko Ifni Rio de Oro Ägypten S u d a n Franz.- Somalild. Brit.- Somalild Brit.- Ostafrika Deutsch- Ostafrika Njassa- land Nord- Rhodesien Süd- Rhod. Betschuana- land Sudafrikan. Union Basutoland Swasiland Südwest- afrika Deutsch- Angola Belgisch- Kongo Cabinda Span.- Guinea Kamerun Nigeria Toga Gold- küste Sierra Leone Port.- Guinea Gambia M a u r e t a n i e n Kanarische in. span. Madeira port. Atlantischer Ozean Lagos F r a n z . - W e s t a f r i k a Kufra-Oasen Ä q u a t o r i a la f r i k a E r i t r e a Abessinien I t a l. - S o m a l i l d F r a n z . - O s t a f r i k a P o r t u g . - O r a n j e T r a n s v a a l Liberia R o t e s M e e r Sansibar brit. Aldabra In. brit. Komoren franz. M a d a g a s k a r Ozean Indischer Tunis M i t t e l m e e r N i l N i g e r K o n g o S a m b e s i O r a n j e Hausa Rabehs Matabelereich Herero 1904/07 A t l a n t i s c h e r O z e a n Walfisch-Bai Südafr. Belgisch Britisch Deutsch Französisch Italienisch Portugiesisch Spanisch Stammesreiche um 1890 Aufstand 0 500 1000 1500 2000 km W Die koloniale Aufteilung Afrikas vor 1914. 224 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=