Zeitbilder 5/6, Schulbuch
der Textilindustrie Hunderttausende Arbeiter in Europa brotlos machten. Darauf reagierten in der ersten Hälf- te des 19. Jh. viele Arbeiter mit einem verzweifelten, zerstörerischen Sturm auf die Maschinen. Das Ergebnis war überall gleich: Die Aufstände wurden von der Ob- rigkeit brutal niedergeschlagen. Es gab Tote und Ver- letzte, viele Arbeiter wurden eingesperrt, die Anführer oftmals hingerichtet. Auch Frauen und Kinder müssen in die Fabrik Die Arbeiter verdienten in den Industriebetrieben zu wenig, um eine ganze Familie mit ihrem Lohn versor- gen zu können. Daher mussten auch Frauen und Kinder eine Lohnarbeit annehmen. Q Arbeiter gesucht Zwei zahlreiche Arbeiterfamilien, namentlich mit arbeitsfähigen Kindern, finden gute Aufnahme in ei- ner Feinspinnerei. Zu erfragen bei der Expedition d(es) Bl(attes). (Stellenanzeiger im Kanton Zürich, nach 1860; in: Geschichte auch für Mädchen, 1989, S. 47) Die Erwerbstätigkeit der Frau wurde umso notwen- diger, je mehr Kinder zu versorgen waren. Als Mutter von kleinen Kindern konnte sie jedoch bestenfalls eine schlecht bezahlte Heimarbeit annehmen. Auch in den Fabriken lagen die Löhne der Frauen (sie arbeiteten überwiegend in der Textilindustrie) weit unter jenen der männlichen Arbeiter. Viele Männer betrachteten die Frauen deshalb als Billig-Konkurrentinnen am Ar- beitsplatz. Aus diesem Grund wollten auch viele Arbei- ter ihre Frauen lieber am häuslichen Herd und bei den Kindern sehen: Q hr Frauen endlich, lasset euch nicht irreführen und überlasset euren Männern die Arbeit, die ihnen zukommt, bildet euch aber zu tüchtigen Haus- frauen und wirklichen Stützen eurer Männer. Dann erfüllt ihr des Weibes schönsten Beruf und gründet das Glück des Hauses. (Allgemeine Deutsche-Arbeiterzeitung vom 17. 12. 1865, Nr. 155; in: Geschichte auch für Mädchen, 1989, S. 53) Auch viele Frauen waren der Auffassung, dass ihr wich tigstes Aufgabengebiet die Hausarbeit wäre. Dennoch setzte sich in der proletarischen Frauenbewegung, die gegen Ende des 19. Jh. entstanden war, auch eine an- dere Auffassung durch: Q Eben auf Grund der prinzipiellen Seite der Frage müssen die Frauen bedacht sein, mit aller Kraft zu protestieren gegen jeden Versuch, die Frauenar- beit zu verbieten. Sie müssen diesem Versuch den lebhaftesten (…) Widerstand entgegensetzen, weil sie wissen, dass ihre soziale und politische Gleich- stellung mit den Männern einzig und allein von ihrer ökonomischen Selbstständigkeit abhängt, welche ih- nen ihre Arbeit außerhalb der Familie in der Gesell- schaft ermöglicht. (Clara Zetkin, Rede auf dem Internationalen Arbeiterkongress zu Paris 19. Juli 1889; in: Geschichte auch für Mädchen, 1989, S. 54) Diskutiert die Aussage Clara Zetkins: Inwiefern hat sie noch heute Gültigkeit? „Des Weibes schönster Beruf“ – Hausfrau sein – welche Pro- und Kontra-Argumente gibt es dazu in eurer Klasse? Die schutzlosesten Arbeitnehmer waren jedoch die Kin- der. Zwar war Kinderarbeit schon vor der Industriellen Revolution üblich – vor allem in der Landwirtschaft und im Gewerbe. Jetzt aber nahm sie in den Fabriken und vor allem in den Bergwerken aus heutiger Sicht unvor- stellbare Formen an. Erst 1833 wurde in England das erste Arbeitsverbot für Kinder unter 9 Jahren in Tex- tilfabriken erlassen, knapp zehn Jahre später die Un- tertagarbeit in Bergwerken für Kinder unter 10 Jahren verboten. Ähnliche Gesetze folgten bald darauf auch in Preußen und im Habsburgerreich (vgl. Politische Bil- dung: Kinderarbeit, S. 210). Fragen und Arbeitsaufträge 1. Definiere mit Hilfe des Autorentextes und der Quellen den Begriff „Soziale Frage“. W Die so genannten Transmissionsriemen stellten für die Arbeiter/innen eine besonders große Gefahrenquelle dar. Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz waren im 19. Jh. – im Gegensatz zu heute – weit gehend unbekannt. W Die Frauenrechtlerin Clara Zetkin als Her- ausgeberin der Zeit- schrift „Die Gleichheit“. Eine Fotomontage von Norbert Günther. 205 Industrialisierung 6 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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