Zeitbilder 5/6, Schulbuch
4. Die „Zweite Industrielle Revolution“ Die Nutzung der elektrischen Energie in der zweiten Hälfte des 19. Jh. sorgte für den zweiten bedeutenden Wachstumsschub in den jungen Industrieländern. Dazu kamen noch bedeutende Erfindungen in der chemi- schen und optischen Industrie – und am Ende des Jahr- hunderts der Verbrennungsmotor. Neben Kohle und Eisen wurde ein neuer Rohstoff wichtig: das Erdöl! Die Erfindungen dieser „Zweiten Industriellen Revolution“ wurden in einem viel höheren Tempo wirtschaftlich ver- wertet und führten zur Bildung neuer Großindustrien. England war in der ersten Industrialisierungswelle die führende Nation der Welt. Ab 1880 nahmen die USA und das Deutsche Reich die Spitzenposition ein. Die Elektrotechnik revolutioniert das Nachrichtenwesen Schon im 18. Jh. war der elektrische Strom entdeckt worden, wurde aber technisch nicht genutzt. Bedeutend wurde seine Verwendung zuerst im Nachrichtenwesen: Der Amerikaner Samuel Morse erfand 1837 einen elek- tromagnetisch gesteuerten Schreib-Telegrafen, mit dem Nachrichten per Draht sekundenschnell über größte Entfernungen „transportiert“ werden konnten. Graham Bell konstruierte 1872 das erste Telefon, dem bald die drahtlose Telegrafie folgte. Geschäftsleute, Politiker und Journalisten profitierten von diesen revolutionären Erfindungen. Diese beschleunigten die Kommunikation zwischen den Großstädten der damaligen Welt in einem bis dahin unvorstellbaren Maß. Vom elektrischen Licht zur modernen Elektrotechnik Offenes Gaslicht in den Straßen, später dann Petro- leumlampen in den Wohnungen prägten das Bild der Städte im 19. Jh. Erst 1881, auf der „Elektrischen Aus- stellung“ in Paris, führte der Amerikaner Thomas Edi- son sein neues, zwei Jahre lang erprobtes, sensationel- les Produkt vor: Q Das allergrößte Aufsehen erregte eine Glühlam- pe von Edison, die man mit einem Schalter an- zünden und auslöschen konnte, an welcher die Men- schen zu Hunderten anstanden, um selbst diesen Schalter einmal bedienen zu können (…). (Ausstellungsbericht; in: Christmann, Technikgeschichte in der Schule, 1976 , S. 126) Schon ein Vierteljahrhundert früher hatte der New Yorker Kaufmann Heinrich Göbel eine Glühlampe aus Bambusfasern zum Eigengebrauch erfunden. Doch Edi- son war der Erste, der mit einem Forscherteam in ei- nem eigenen modernen Labor nicht nur die Glühlampe, sondern auch das Zubehör (Fassungen, Sicherungen, Stromleitungen, Hausanschlüsse etc.) in Serienreife produzierte So konnte New York schon 1882 im Lichte von 400 Glühlampen „erstrahlen“. Mit seinem Team entwickelte er auch eine Vielzahl an- derer Erfindungen: z. B. Batterie, Grammofon, Filmka- mera, eine elektrische Spielzeugeisenbahn und vieles andere. „Ich stelle fest, was die Welt braucht, und dann mache ich mich daran und versuche, es zu erfinden“, war Edisons Grundsatz. Alles, was er tat, maß er „an der Größe eines Silberdollars“. Auch der Deutsche Werner Siemens dachte bei jeder seiner Erfindungen sofort daran, wie er sie am besten wirtschaftlich verwerten könnte. Der „große Wurf“ ge- lang ihm mit der Entwicklung des Dynamos – damit war die Starkstromtechnik erfunden. 1881 fuhr in Berlin bereits die erste elektrische Straßenbahn. Zur Jahrhun- dertwende hatte sich die Nutzung der Elektroenergie bereits im Verkehrswesen und zur Beleuchtung in allen größeren Städten durchgesetzt. Fast alle entscheidenden technischen Neuerungen wer- den heutzutage nicht vom genialen „einsamen“ Erfinder, sondern in den Forschungsabteilungen großer Firmen entwickelt – wie lässt sich das begründen? Informiert euch im Physikunterricht über die Funktionsweise dieser Erfindungen und über weitere technische Erneuerungen des 19. Jh. im Bereich der Elektrotechnik und der Optik. Der Beginn des Automobil-Zeitalters Ein „Dampfmobil“ für die Straße herzustellen, war wirt- schaftlich unrentabel: Es verbrauchte zuviel Brennstoff und der große Dampfkessel machte es zu einem für die Straße unbrauchbaren Ungetüm. Die Lösung brachte der Verbrennungsmotor! 1860 lief bereits der erste primitive Gasmotor des Franzosen Etienne Lenoir. Die Deutschen August Otto und Gottfried Daimler konstruierten bald darauf den ersten Viertakt-Gasmotor (1876), dessen Ar- beitsprinzip bis heute Gültigkeit hat. Etwa zur gleichen Zeit baute der Österreicher Siegfried Marcus den ersten Kraftwagen mit Benzinmotor. Zehn Jahre später liefen bereits die ersten „Benziner“ von Daimler und Carl Benz. Noch vor der Jahrhundertwende begann Benz mit der Serienproduktion des „Velo“, der ersten Automarke der Welt (1898: schon 434 Stück), während Daimler ab 1901 mit der Produktion des „Mercedes“ begann. Diese rasante Entwicklung war durch Nutzung einer neuen Energiepuelle möglich geworden: das Erdöl! 1859 machte Edwin Drake die erste erfolgreiche Ölboh- rung in Pennsylvania, da die Ölfunde an der Erdober- fläche für den steigenden Petroleumbedarf nicht mehr ausreichten. Seinen ersten Höhenflug erlebte das Automobil zur Zeit des ErstenWeltkrieges in den USA: Mit einer neuen Pro- duktionsmethode, dem Fließband, wurde das Auto zum billigen Massenkonsumartikel. Henry Ford berichtet: Q Ein Fordwagen besteht aus rund 5 000 Teilchen – Schrauben, Muttern usw. mit eingerechnet. Un- gefähr am 1. April 1913 machten wir unseren ersten Versuch mit einer Montagebahn (…). Im Prinzip äh- nelt sie den Schwebebahnen, deren sich die Chika- goer Fleischpacker bei der Zerlegung der Rinder be- dienen. Früher, als der ganze Herstellungsprozess bei uns noch in den Händen eines einzigen Arbei- ters ruhte, war der betreffende im Stande, 35 bis 40 202 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv
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