Zeitbilder 5/6, Schulbuch

1. Die Industrialisierung verändert die Welt Ein bedeutender Schritt in der Menschheitsgeschichte Neben der Neolithischen Revolution, in deren Ver- lauf aus Jägern und Sammlern sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter wurden, stellt die Industrialisierung wohl den bedeutendsten Entwicklungsschritt in der Geschichte der Menschheit dar: Aus einer Agrarge- sellschaft hat sich im Laufe der letzten 200 Jahre, von Europa ausgehend, in vielen Teilen der Erde die ge- genwärtige Industriegesellschaft herausgebildet. Die so genannte „Industrielle Revolution“ hat das Leben der Menschen grundlegend verändert: Menschliche und tierische Kraft wurden durch die mechanische Kraft, menschliche Geschicklichkeit durch präzis arbeiten- de Maschinen ersetzt. Kleinhandwerk, Hausindustrie und auch die Manufakturen machten innerhalb weni- ger Generationen der maschinellen Massenproduktion in den Fabriken Platz. Verbesserte Anbaumethoden in der Landwirtschaft sorgten für einen Nahrungsmittel- überschuss. Weniger Menschen konnten nun die Ver- sorgung einer rasch wachsenden Bevölkerung sicher- stellen. Viele Landbewohnerinnen und Landbewohner zogen in die entstehenden industriellen Ballungsräume. Doch das Angebot an Arbeitskräften war bald größer als die Nachfrage an den produzierten Gütern – Arbeitslo- sigkeit und eine Massenarmut des Industrieproletariats waren die Folge. Die damit verbundene „Soziale Fra- ge“ ist bis heute ein gesellschaftliches Problem. Auch die negativen Folgen des Kapitalismus – immer wieder- kehrende Wirtschaftskrisen – sind bis heute eine Gefahr für unser Gesellschaftssystem geblieben. Die „Erste Industrielle Revolution“ (ca. 1760–1830) ging von England aus. Sie war gekennzeichnet von einer aufblühenden Textil-, Eisen- und Stahlindustrie, den großen Dampfmaschinen und der Eisenbahn. Das Ende des 19. Jh. war geprägt von den Entwicklungen der Chemie, der Elektrotechnik und der Erfindung des Ver- brennungsmotors (= „Zweite Industrielle Revolution“). Die Gegenwart bezeichnen manche Wissenschaftlerin- nen Wissenschaftler als Zeit der „Dritten Industriellen Revolution“: Der Kunststoff hat in vielen Bereichen das Eisen abgelöst, die Atomkraft verdrängt (nicht überall) Wasser und Kohle. Roboter und Computer ersetzen den Menschen zusehends in der Produktion und im Dienst­ leistungsbereich. Der Luftverkehr lässt den Erdball klein erscheinen, Raketen und Satelliten treiben die Entdeckung und Eroberung des Weltraums durch den Menschen voran. Die Probleme der Industriegesellschaften werden durch diese Entwicklung aber nicht kleiner, sondern nur noch komplexer: Besonders Natur und Umwelt lei- den unter dieser menschheitsgeschichtlich erst kurzen Belastung. England – das Mutterland der „Industriellen Revolution“ Unter den Historikerinnen und Historikern gibt es noch keine allgemein anerkannte Erklärung, weshalb es zur „Industriellen Revolution“ überhaupt gekommen ist. Es steht lediglich fest, dass mehrere Ursachen, die mitei- nander in Wechselbeziehung standen, die Epoche des Industriezeitalters eingeleitet haben. Die wichtigsten sollen am Beispiel Englands aufgezeigt werden, denn dort begann diese Entwicklung. England wurde wahrscheinlich deshalb zumAusgangs- punkt der Industrialisierung, weil dort bereits im 18. Jh. viele Voraussetzungen dafür gegeben waren. England hatte: eine herausragende Stellung als Handels- und Kolo- –– nialmacht; genügend Rohstoffe (z. B. Kohle, Erze, Baumwolle); –– günstige Verkehrswege (Meer, Flüsse, Kanäle, Stra- –– ßen); große Kapitalreserven –– (Gewinne aus den Kolo- nien, Handel mit Sklavin- nen und Sklaven); eine Wirtschaftsgesin- –– nung, die Sparsamkeit und Profitdenken förder- te; genügend Arbeitskräfte –– und investitionsfreudige Unternehmer. Erst im 19. Jh. vollzog sich die „Industrielle Revolu- tion“ in West- und Mittel- europa sowie in den USA. Gegen Ende des 19. Jh. er- fasste sie auch Japan und Russland. Viele Länder der „Dritten“ und „Vierten Welt“ erleben den Prozess der Industrialisierung aller- dings erst heute. W Das Eisenwalzwerk – Modern Cyclopen (Ausschnitt, Öl auf Leinwand, Adolph von Menzel, 1872–1875). Das Gemälde entstand im Auftrag eines Bankiers. 194 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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