Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Fragen und Arbeitsaufträge 1. Fasse die Lebensverhältnisse der verschiedenen Bevölkerungsgrup- pen zusammen. Achte dabei darauf, dass diese Gruppen in sich selbst auch differenziert waren (z.B. Alter, Geschlecht etc.). 2. In jeder Gesellschaft gibt es die Tendenz Außenseiterinnen und Außenseiter zu definieren und aus- zugrenzen. Beurteile, welche Rand- gruppen es heute gibt. 3. Was wisst ihr über Kinderarbeit heute; in welchen Ländern, in wel- chen Erwerbszweigen kommt sie noch immer vor? 4. Rollenspiel: Versetzt euch in die Lage einer Person aus einer be- stimmten Bevölkerungsschicht der Neuzeit. Recherchiert dazu die Le- bensumstände (mit Hilfe von Biogra- phien, Bildern, historischen Lexika, Internet etc.). Schlüpft in eure Rolle und diskutiert, ob ihr an der neuzeit- lichen Gesellschaft grundsätzlich etwas ändern wollt.  Sie traf das härteste Los: Kinder im Berg- werk, Lithografie, 1844. te J. H. G. Justi in seiner „Grund- feste der Macht und der Glückse- ligkeit der Staaten“ 1760 fest. (Zit. nach: Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2001, S. 180) Man sah damals Kinder als Quelle des Reichtums für den Staat an. Dieser förderte die Kinderarbeit. Sie wurde im Laufe des 18. Jh. (1765) unter Maria Theresia in Österreich zur Norm erhoben. Nicht nur für den Staat, auch für die Familien waren Kinder wichtig: als zusätzliche Verdiener und für die Altersversorgung der Eltern. Erst im Laufe der Zeit nahm man ihre hohe Sterblichkeitsrate, ihre schlechte körperliche und geistige Entwick- lung sowie die Vernachlässigung ihrer Ausbildung zur Kenntnis. So notierte schon Kaiser Joseph II. im Jahr 1786 nach dem Besuch einer Seidenfabrik in Traiskirchen: Q Da ich im vorigen Jahr in der so genannten Grünmühle zu Traiskirchen und die dortige Fa- brike in Augenschein genommen habe, so entdeckte ich daselbst un- endliche Gebrechen in der Rein- lichkeit der Kinder, welche voll Krätze waren und welches auch auf ihren Gesundheitszustand die nachtheiligsten Folgen nach sich gezogen hat. (Zit. nach: Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2001, S. 181) Er verlangte, dass jedes der Kinder ein eigenes Bett erhielte (und nicht 4 oder 5 in einem Bett schlafen mussten) und dass sie wenigstens einmal wöchentlich gewaschen wer- den. Überdies ordnete der Kaiser an, dass Kinder vor Beginn des 9. Lebens- jahres „nicht ohne Not zur Fabriks- arbeit aufgenommen werden sollten. Doch solche Weisungen blieben lange Zeit ziemlich wirkungslos. Vor allem auch deshalb, weil Kinderar- beit damals in ganz Europa üblich war. Kaum jemand konnte sich vor- stellen, dass eine Volkswirtschaft ohne Kinderarbeit erfolgreich sein könnte. Friedrich Engels beschrieb diese triste Situation: Q In den Kohlen- und Erzberg- werken arbeiteten Kinder von vier, fünf, sieben Jahren; die meisten indes sind über acht Jah- re alt. Sie werden gebraucht, um das losgebrochene Material von der Bruchstelle nach dem Pfer- deweg oder dem Hauptschacht zu transportieren, um Zugtüren zu öffnen und wieder zu schlie- ßen. Zur Beaufsichtigung dieser Türen werden meist die kleinsten Kinder gebraucht, die auf diese Weise 12 Stunden täglich im Dun- keln einsam in einem engen, meist feuchten Gang sitzen müssen. Die gewöhnliche Arbeitszeit ist 11–12 Stunden, oft länger. (Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845) Erste Kinderarbeitsverbote wurden in England erlassen (1833). In Ös- terreich dauerte es bis 1885, bis die regelmäßige Arbeit von Kindern un- ter 12 Jahren im Gewerbe und unter 14 Jahren in den Fabriken verboten wurde. Die Kinderarbeit in der Landwirt- schaft dauerte noch weit ins 20. Jh. hinein. Kinderarbeit vor 50 Jahren Der österreichische Schriftsteller Franz Innerhofer beschreibt in seinem autobiografischen Roman „Schöne Tage“ das Leben des Kin- des Holl auf einem Bauernhof in Salzburg in den 50er-Jahren des 20. Jh.: Q Durch die Schulaufgaben er- hoffte sich Holl die Befreiung von der Arbeit. (…) Plötzlich ging die Stubentür auf und der Vater stand da. „Was machst du da?“, fragte er finster. „Die Hausaufga- be“, antwortete Holl mit zittern- der Stimme. Der Blick des Vaters genügte. Holl packte sofort die Schulsachen und lief hinaus (…), schlüpfte aus dem Schulgewand in das Werktagsgewand. (Holl) weinte verzweifelt, weil ihm die Arbeit einfach zu viel war, sie ging weit über seine Kräfte. (…) (Innerhofer, Schöne Tage, 1974) 191 X Titel dieser Politikseite Ges llschaft im Wandel Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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