Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Verschiedene Bevölkerungsgruppen Die Bevölkerung im 17. und 18. Jh. setzte sich zunächst weit gehend aus den gleichen Gruppen zusam- men, wie sie aus der frühen Neuzeit bekannt sind: Eine überwiegend ländlich-bäuerliche Bevölkerung wird ergänzt um die städtisch-bür- gerlichen Schichten (vgl. S. 186 f.). Im 19. Jh. formierte sich jedoch das Bürgertum neu und wurde politisch bedeutsam (vgl. S. 188 f.). Am Ende des 19. Jh. sind schließlich auch die Arbeiter zu einer gesellschaftlich immer wichtiger werdenden Kraft herangewachsen (vgl. S. 190 f.). Le- diglich Bettler, aber auch uneheliche Kinder und deren Mütter, besitzlo- se und arbeitsunfähige Menschen sowie Invalide blieben während all dieser Jahrhunderte am Rande der Gesellschaft (vgl. S. 185 f.). Den Ton aber gaben zunächst die Adeligen an. Ihr Anteil an der Ge- samtbevölkerung im 18. Jh. hat in den österreichischen Erblanden nur etwa 0,2 % betragen. Trotzdem blieb diese kleine Gruppe bis zum Beginn des 20. Jh. die bestimmen- de gesellschaftliche Gruppe. Doch im Laufe der Jahrhunderte änderte sich die Stellung des Adels in der Gesellschaft. Der Adel verliert langfristig Von den Adeligen und „ihren“ Bauern Seit dem 16. Jh. nahm der Adel sei- ne ritterlichen Pflichten den Bauern gegenüber – nämlich sie zu beschüt- zen und Recht zu sprechen – immer weniger wahr. Damit verlor er aber auch die Grundlage dafür, die Bau- ern für sich arbeiten zu lassen, sie auszubeuten. Die grundherrschaftliche Gewalt wurde im Laufe des 18. Jh. durch die absoluten Herrscher immer mehr eingeschränkt. Die habsburgerischen Landes- –– fürsten beschränkten z. B. die Robotdienste der Bauern, welche diese ihren adeligen Grundher- ren zu leisten hatten. Auf diese Weise wollten sie die Leistungs- fähigkeit der Bauern für die Be- völkerung des gesamten Reiches sicherstellen. Auch die Steuereinhebung von –– ihren Bauern wurde den Grund- herren nicht mehr gestattet. Überdies wurden allmählich die –– adeligen Vorrechte eingeschränkt, über ihre Untertanen Recht zu sprechen. Im Gefolge der „Bau- ernbefreiung“ von 1848 gingen sie ganz verloren. Diese Aufgaben zog die zentrale Staatsmacht unter der Herrschaft des Landesfürsten an sich. Der Landesfürst verstand sich mit der Durchsetzung des Absolutismus als der „Vater“ aller Untertanen. Noblesse obligue – vom Feudaladel zum Hofadel Es gab zwar nach wie vor eine feudale Herrschaft von adeligen Grundherren über die Bauern. Die Machtzentren lagen aber nicht mehr bei den einzelnen adeligen Grund- herren (wie z. B. im Spätmittelalter und auch noch in der frühen Neu- zeit). Sie wurden im Verlaufe des 17. Jh. durch das eine Macht- und Herrschaftszentrum beim Hof des Landesfürsten abgelöst. Der Hof war die Residenz des Herrschers. Der (landesfürstliche) kaiserliche Hof in Wien „versammelte“ die hohen Adeligen um sich, wie es in Paris bzw. Versailles der französische Kö- nig von seinen französischen Ade- ligen verlangte. Aus diesem Grund spricht man vom späten 17. Jh. und vom 18. Jh. als dem Zeitalter der hö- fischen Gesellschaft. Der kaiserliche Hof war im Absolutismus zum Zent- rum der Macht im Staat geworden. Q Die „Hofgesellschaft“ setzte sich neben der kaiserlichen Familie aus den „hoffähigen“ Geschlechtern des alten (hohen) Adels zusammen. Das waren etwa an die „300 Familien“ fürstlichen und allenfalls gräflichen Ranges, die schon seit Generationen den Habsburgern treu gedient hatten. (Redlich, Das österreichische Staats- und Rechtsproblem; zit. nach: Bruckmüller, Sozial- geschichte Österreichs, 1985, S. 422) Der kaiserliche Hof wurde damit auch zum Zentrum der Tätigkeiten der Adeligen. Einige wenige hohe Adelige besetzten die wichtigsten Positionen im Staat, in der Armee und auch in der Kirche. Sie nah- men Vertrauenspositionen am Hof ein und wurden damit zu den Ent- scheidungsträgern der Monarchie. Das galt bis zum Ende der öster- reichisch-ungarischen (habsburgi- schen) Monarchie. Von altem und neuem Adel In den österreichischen Ländern umfasste die Hocharistokratie im 18. Jh. etwa 300 Fürsten- und Grafen- geschlechter. Der alte Adel – wie die Familien Schwarzenberg, Dietrich- stein, Liechtenstein, Starhemberg etc. – spielte dabei die Hauptrolle. Diese Geschlechter stammten zum Teil noch aus dem späten Mittelal- ter. Die Adelsfamilien waren durch Heiraten – oftmals europaweit – mit einander verflochten. Man heiratete, um Besitzansprüche zu sichern oder zu erwerben und um den Bestand der Dynastie zu erhalten. „Liebes- heiraten“ hatten in diesem Bestre- ben um Machtgewinn und Machter- halt kaum einen Platz. Neben den alten adeligen Fami- lien wurden im Verlaufe des 18. und 19. Jh. zahlreiche Familien vom Herrscher in den Adelsstand erhoben. Dafür waren meist militä- rische Verdienste oder Verdienste in der Verwaltung bei Hof, im 19. Jh. auch wirtschaftlicher Erfolg ausschlaggebend. Die neuen Adeligen wurden auch als „zweite Gesellschaft“ bezeichnet: L Die „zweite Gesellschaft“ galt dem „echten“ Adel nur im Falle äußerster finanzieller Not als ebenbürtig. Als integrierender Faktor für die österreichisch-un- garische Monarchie müssen aber diese neu geadelten Beamten, Offiziere, Bankiers und Industri- ellen besonders hervorgehoben werden. (Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2001, S. 329) Der Adel im Luxus und als Mäzen Verschwendungssucht, Luxusleben sowie das Streben nach Repräsenta- Gesellschaft im Wandel 184 Politische Bildung – Kompetenztraining Läng schnitt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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