Zeitbilder 5/6, Schulbuch
und Todesstrafe. Die Aburteilung von Gesetzesbrechern sollte nicht mehr unter den Vorzeichen von Vergeltung und Rache stehen; vielmehr diene sie dem Schutz der Bevölkerung und habe eine erzieherische Aufgabe. Entgegen der aus dem Mittelalter stammenden Ansicht vertrat er die Meinung, dass die Folter kein taugliches Mittel zur Wahrheitsfindung sei: Q Vor dem Ausspruche des Richters kann man kei- nen Menschen als schuldig ansehen. Man darf einen Unschuldigen nicht foltern, und unschuldig ist nach dem Gesetz jeder, dem ein Verbrechen nicht nachgewiesen ist. (Cesare de Beccaria, Von den Verbrechen und Strafen, 1764) Folter und Todesstrafe finden heute noch in vielen Län- dern Anwendung. Welche internationalen Organisationen klagen diese Länder an und sind um eine weltweite Ab- schaffung von Folter und Todesstrafe bemüht? Herrschaft der Natur – der Physiokratismus In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Lehre der Physiokraten entwickelt. Einer ihrer wich- tigsten Vertreter war François Quesnay, der Leibarzt Ludwigs XV. Seine zentrale Forderung war eine Wirt- schaft ohne staatliche Eingriffe. Er meinte, dass sich der Wohlstand bei individueller Freiheit und Selbstverant- wortung am besten entwickle. Quesnay bezeichnete die vom Merkantilismus benachteiligte Landwirtschaft als die „Quelle aller Reichtümer des Staates“. Diese Überbewertung der Landwirtschaft führte zu weiteren Forderungen der Physiokraten: Förderung der Binnenkolonisation statt der Erwer- –– bung von Kolonien in anderen Kontinenten; Förderung der Landwirtschaft (Anbau von Kartoffel, –– Mais, Tabak, Entwicklung verbesserter Anbaumetho- den); Bauernbefreiung: Abschaffung der Leibeigenschaft –– und Verringerung der persönlichen Dienstleistungen (Robot); Bodenreform: die bäuerliche Bevölkerung sollte das –– von ihr bebaute Land als freies Eigentum besitzen; freie, natürliche Wirtschaftsordnung ohne Einmi- –– schung des Staates. Der Physiokratismus hatte das Bestreben, die Einfluss- nahme des Staates zurückzudrängen. Damit wurde er zu einer wichtigen Grundlage des Wirtschaftsliberalis- mus im nachfolgenden Industriezeitalter. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Gestaltet ein Plakat, auf dem die wichtigsten Grundideen der Aufklärung – mit kurzen Texten und auch bildnerischen Mitteln – dargestellt sind. Stellt es dann der Klasse vor. 2. Diskutiert ob bzw. in welchen Bereichen sich die Auf- klärung heute durchgesetzt hat. Berücksichtigt dabei die Definition von Kant. klang. So wurden in Österreich unter Maria Theresia die Volksschulen vom Staat eingerichtet (vgl. S. 257 f.). Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass in der Folge alle Kinder in die Schule gingen. Es liegen Schätzungen vor, dass um 1800 in Österreich erst 25 % der Kinder die Schule besuchten. Welche sozialen Schichten hatten im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit Zugang zu Bildung? Die Kinder der unteren Bevölkerungsschichten sollten für die Arbeit in den Manufakturen zu Gleichmäßigkeit, Pünktlichkeit und Ausdauer erzogen werden: Q Junge Kinder vom vierten oder fünften Jahre müssen schon nach und nach und, wenn es mög- lich ist, ohne Zwang zur Arbeit gewöhnt werden, und zwar zu einer solchen, welche die Glieder übt und die Gesundheit stärkt. (Basedow, Das Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker, 1770, S. 10) In der Epoche der Aufklärung wurden Frauen weiter in den häuslichen Bereich zurückgedrängt. Die Mädchen sollten daheim auf den „wahren“ Beruf der Frau vor- bereitet werden: „Vorsteherinnen des Hauswesens“. Besonderen Einfluss übte Jean-Jacques Rousseau mit seinem Werk „Emile oder über die Erziehung“ (1762) aus. Darin sieht er als „eigentliche“ und oberste Bestim- mung der Frau, „Kinder zu gebären“ und eine „richtige Familienmutter“ abzugeben. „Vernünftige“ Änderungen im Recht Aufklärerische Ideen führten auch zu Veränderungen auf dem Gebiete des Strafrechts. Große Bedeutung er- langte dabei das Werk „Von den Verbrechen und Stra- fen“ des Italieners Cesare de Beccaria. Darin wandte er sich gegen die Willkür der Richter sowie gegen Folter Die Aufklärung Weltanschauung des gebildeten Bürgertums im 18. Jahrhundert Glaube an die Macht der Vernunft gegen geistige und politische Bevormundung Forderungen Unterwerfung der Kirche unter den Staat Religiöse Toleranz Redefreiheit Bildung und Wohlfahrt der breiten Massen Freier wirtschaftlicher Wettbewerb Lehre von der Volkssouveränität Kampf gegen Kirche und Absolutismus 161 Absolutismus und Aufklärung 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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