Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Unter Absolutismus wird jene (historische) Regierungs- form verstanden, die den Landesfürsten zum alleinigen Inhaber von Recht und Macht erhob. Auf diese Weise versuchte er die Mitregierung der Stände auszuschal- ten. Dieser Anspruch auf Souveränität (= alleiniges Verfügungsrecht über den Staat) führte in der Regel zu Konflikten mit den Ständen, vor allem aber mit dem Adel. Um ihn durchzusetzen, wendeten deshalb viele Fürsten Gewalt an. Die moderne Geschichtswissenschaft schwächt aber die Vorstellung der unumschränkten Macht der Fürsten et- was ab. Sie weist darauf hin, dass auch im Absolutismus regionale und lokale Einrichtungen weiterhin eine Rolle spielten. Frankreich stieg im Zeitalter des Absolutismus unter Ludwig XIV. zur politischen und kulturellen Vormacht in Europa auf. Der „Sonnenkönig“ selbst, seine Regie- rungs- und Lebensweise wurden zum Vorbild, dem die europäischen Fürsten nacheiferten. Dennoch verlief die Entwicklung zur absolutistischen Regierungsweise in den einzelnen Staaten unterschiedlich. Q Herr Kanzler, ich habe Sie mit meinen Ministern und Staatssekretären rufen lassen, um Ihnen Fol- gendes zu sagen: Bis jetzt habe ich zwar meine Ge- schäfte durch den verstorbenen Herrn Kardinal be- sorgen lassen. Nun aber ist es Zeit, dass ich sie selbst in die Hand nehme. Sie werden mich mit Ihren Rat- schlägen unterstützen, wenn ich sie von Ihnen ver- lange. Sie, Herr Kanzler, ersuche ich, nichts zu sie- geln, als was ich Ihnen zu diesem Zweck in die Hand gebe. Ihnen, meine Herren Staatssekretäre, verbiete ich, irgendetwas zu zeichnen, sei es auch nur einen Pass, ohne mir darüber vorgetragen zu haben. Der Schauplatz hat sich verändert. Ich werde in der Füh- rung meines Staates, in der Verwaltung der Finanzen und in der Leitung der Außenpolitik anderen Grund- sätzen folgen als der verstorbene Herr Kardinal. Sie kennen jetzt meine Befehle. Ihre Sache, meine Her- ren, ist es, sie auszuführen. (Gaxotte, Frankreichs Aufstieg in Europa, 1951, S. 9 f.) Diese Worte, die der erst 22-jährige Ludwig XIV. an die höchsten Würdenträger Frankreichs gerichtet hatte, stießen zunächst auf ungläubiges Staunen. Dass sie den Beginn einer neuen Epoche der Geschichte Frankreichs und der Weltgeschichte darstellten, ahnte im Jahre 1661 wohl niemand. Hatte sich doch der junge König bis da- hin kaum um die Staatsgeschäfte gekümmert. Welche Stellung beabsichtigt Ludwig XIV. selbst in der Verwaltung einzunehmen? Wie könnte man den Umgangston Ludwigs XIV. den höchs- sten staatlichen Würdenträgern gegenüber bezeichnen? Der Feudalismus in der Krise Seit dem verstärkten Aufleben der Geldwirtschaft ge- gen Ende des Mittelalters wurde es üblich, Sachleistun- gen (Verleihung von „Land und Leuten“, Naturalabga- ben und Fronarbeit) durch Geldzahlungen zu ersetzen. Dies führte zu einer allmählichen Auflösung der feuda- len Strukturen: Der Adel verlor das Monopol im militärischen Be- –– reich, das seine Vorrangstellung begründet hatte. Söldnerheere, die von den Fürsten bezahlt und mit teuren Feuerwaffen ausgerüstet wurden, ersetzten die Ritterheere. Der Adel verlor auch das wirtschaftliche Monopol. –– Nicht mehr Grundbesitz und Landwirtschaft, sondern das Geld stellte nun die wichtigste Quelle des Reich- tums dar. Dieser neue Reichtum konzentrierte sich vor allem beim Großbürgertum in den Städten. Dennoch konnte der Adel seinen Rang und sein Ansehen in der Gesellschaft behaupten, denn seine Privilegien (z. B. Steuerfreiheit) blieben vorerst weit gehend unange- tastet. 1. Der Absolutismus Lebensgroßes Galaporträt Ludwigs XIV. (1643/1661-1715) von Hya- cinthe Rigaud aus dem Jahre 1701 (Louvre, Paris). Karolingisch-fränkische Traditionsmerkmale (Schwert Karls des Großen) sowie dynastische Elemente (Lilie der Bourbonen auf Krönungsmantel und Thron, Lilienzepter) und religiöse Elemente (Orden des Heiligen Geistes) sollen den königlichen Herrschaftsanspruch über jeden Zweifel erheben. Diese Bildkomposition wurde zum Vorbild für viele andere Ga- laporträts absolutistischer Herrscher. 150 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=