Zeitbilder 5/6, Schulbuch
fangen und vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Vom Aufwand, den sie dabei betrieben, und von der Anzahl der Dienstboten hing ab, wie die wirtschaftliche Situation der Familie eingeschätzt wurde. Zu einem bürgerlichen Haushalt ge- hörten selbstverständlich Dienstmäd- chen. Viele kamen vom Land, hatten keine Ausbildung und waren daher auf die meist sehr geringen Löhne ange- wiesen. Die Lebensumstände dieser Frauen und Mädchen waren häufig sehr schlecht. Manchen standen nur pro- visorische Schlafplätze in der Küche, unter einer Treppe oder in einer kleinen Kammer im Dachboden zur Verfügung. Als „Mädchen für alles“ in kleinbürger- lichen Haushalten schufteten sie bis zu 16 Stunden am Tag. Nur alle 14 Tage bekamen sie einen freien Sonntag. Bei einer Befragung um 1900 berichte- te ein Dienstmädchen: Q Aufbleiben musste man im Sommer sehr oft, wenn die Herrschaften im Garten saßen bis spät in die Nacht, dann musste man noch Gläser, Flaschen, De cken und sonst was in die Woh- nung tragen. (…) Auch bis nach Mitternacht hat man oft warten müssen, wenn die Herrschaften anderweit ein- geladen waren; da musste man sehr aufpassen, wenn der Wagen hielt, damit die hohen Herrschaf- ten nicht schließen oder klingeln mussten. (Zit. nach: Ritter (Hg.), Deutsche Sozialge- schichte, Bd. II, 1974, S. 259) Im Zuge der Industrialisierung wurde die Fabriksarbeit für die Frauen und Töchter der Arbeiter eine wirtschaftliche Notwendigkeit (vgl. S. 205 f.). Viele dieser Frauen schlossen sich in der proletarischen Frauenbewegung zusammen, deren führende Vertreterin Clara Zetkin war. Sie kämpften für den Zehn-Stunden-Tag, für bessere Mäd- chenbildung, für das Frauenwahlrecht und gegen den Militarismus. Auch eine bürgerliche Frauenbewegung war um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. Zu einer ihrer wichtigsten Forderungen gehörte die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten, um die Chancen der wirtschaftlichen Selbst- ständigkeit von Frauen zu erhöhen. Die bedeutendste deutsche Frauen- rechtlerin, Louise Otto-Peters, schrieb 1847: Informiert euch im Internet über die wichtigsten Fragestellungen und bisherigen Ergebnisse der „Gender studies“ (Gruppenarbeit). Präsen- tiert eure Ergebnisse der Klasse, z. B. in Form von Kurzreferaten. Der amerikanische Autor Arthur Miller schrieb das Theaterstück „The crucible“, das auf den Hexenprozes- sen in Salem im Jahre 1692 basiert. Lest den englischen Text und wertet eure Lektüre mit Hilfe der Anregun- gen im Kapitel und weiteren Informa- tionen des Buches aus. Frauen im Erwerbsleben Die Lebenssituation von Frauen hing stets davon ab, welcher sozialen Schicht sie angehörten. Zu den traditio- nellen Tätigkeitsbereichen von Frauen zählten aber überall die Kindererzie- hung und die Führung des Haushaltes. Je nach Schichtzugehörigkeit kamen aber noch zahlreiche Arbeiten dazu: In kleinbäuerlichen Familien waren Frau- en für die Vorratshaltung zuständig, sie verrichteten kräftezehrende Hof-, Stall- und Feldarbeit und kümmerten sich meist um die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. In vie- len Handwerkerfamilien waren Frauen für den Verkauf und die Buchführung zuständig. Adelige und reiche bürgerliche Frauen hingegen standen einem großen Haus- halt mit Personal vor. Ihre Hauptbe- schäftigung bestand darin, das Gesinde zu beaufsichtigen, Besucher zu emp- Q Es tut Not, dringend Not, dem Weibe Gelegenheit zu ver- schaffen, sich, wenn es sein muss, den Lebensunterhalt selbst ver- dienen zu können. Schon bei den untersten Schichten steht der Ver- dienst der Frauen, die entweder für Tagelohn oder bei einer Herr- schaft dienen, im auffallenden Missverhältnis zu dem der Män- ner! (…) Aber in höheren Ständen ist dem weiblichen Geschlecht fast jede Gelegenheit genommen, sich selbstständig durchs Leben zu hel- fen. Eine Stickerin und Näherin kann bei den jetzigen Zeiten den Tag über kaum fünf Groschen ver- dienen! Anderes lernen aber eben jetzt die Mädchen selten, denn um in fremden Sprachen unterrichten zu können, gehört schon eine gro- ße Fertigkeit in denselben dazu, zu welcher es auch selten gebracht wird. Allerdings ist aber dieses Unterrichten im Französischen (…) fast das einzige Mittel der Frauen, sich allein durchs Leben zu hel- fen (…). Wie schmachvoll (…) für Deutschland, das zu seinen Töch- tern sagt: Seht zu, dass ihr euch bald an einen Mann verkauft, der euch anständig ernähren kann, und ihr dafür sein Hauswesen führt. (Otto, Die Teilnahme der Frauen an den In- teressen des Staates; in: Vorwärts! Volks-Ta- schenbuch für das Jahr 1847, S. 51 ff.) Vielen Frauen war klar geworden, dass außerhäusliche Berufstätigkeit nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Chance für Unabhängigkeit und Selbst- verwirklichung war. Neue Entwicklun- gen in der Wirtschaft im letzten Drittel Während die „Dame des Hauses“ ihren ge- sellschaftlichen Pflichten nachkam, blieben die Kinder in der Obhut eines Dienstmädchens. Aquarell, 1874 von Goerge Goodwin Kilburne (1839–1924). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts eröffne- ten sich für Frauen neue Dienstleistungsbe- rufe. Führungspositionen blieben aber meist Männern vorbehalten. Das Bild zeigt eine Fern- sprechvermittlung um 1900 in Paris. 145 X Titel dieser Politikseite Frau n in d Geschich Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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