Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Frauen in der Geschichte In der Geschichte der Menschheit haben Frauen immer aktiv am ge- sellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilgenommen. Dies wurde aber in der von Männern dominierten Gesellschaft nicht entsprechend wahr- genommen. Seit wenigen Jahrzehnten beschäftigen sich Historikerinnen und Historiker intensiver mit der Rolle und den Lebenswelten von Frauen. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts be- ginnt sich der neue Forschungsbereich der „Gender studies“ durchzusetzen: Es geht dabei um die wissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung, u. a. sollen die Rollen- und Machtver- hältnisse der Geschlechter gleichrangig und zueinander aufgearbeitet werden. Im folgenden Abschnitt werden einige Aspekte zur historischen Rolle von Frauen vom Beginn der Neuzeit bis zum Ersten Weltkrieg aufgegriffen. Frauen als Opfer des Hexenwahns Zu den grauenhaftesten Phänomenen in der Geschichte gehören die Hexen- verfolgungen und Hexenverbrennungen. Sie setzten am Ende des Mittelalters ein und verbreiteten sich über ganz Europa. Ihren Höhepunkt hatten sie im 16. und 17. Jahrhundert. Zwar wurden auch Männer, ja sogar Kinder Opfer des Hexenwahns, in erster Linie aber waren Frauen davon betroffen. Besonders ge- fährdet waren Frauen, die als Heilerin- nen und Hebammen etwas außerhalb der Dörfer lebten. Ihre naturkundlichen Kenntnisse machten sie in den Augen vieler verdächtig, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Erscheinungen, für die man damals keine Erklärungen fand, wie Seuchen bei Menschen und Tieren, Missernten und Naturkatastrophen, wurden oft mit Zauberei erklärt. Die Kirche sah in Men- schen mit angeblich magischen Kräften eine Bedrohung und Konkurrenz. Kirch- liche Vertreter waren überzeugt, dass nur der Teufel übernatürliche Kräfte verleihen könne. Viele Päpste erließen daher Verordnungen, welche die Hexen- verfolgungen begünstigten. Ein Beispiel dafür ist die päpstliche „Hexenbulle“ (1454), in der Anweisungen gegeben wurden, wie gegen Hexen vorgegangen werden sollte. Zur Verbreitung dieses Wahnes trug besonders ein Handbuch zur Hexenfra- ge bei, der so genannte Hexenhammer (1486/87). Der Verfasser, ein Mönch namens Heinrich Kramer, genannt Institoris, legte darin die Regeln der Hexenbefragung fest. Er beschrieb die „typischen Merkmale“ von angeblichen Hexen und betonte ausdrücklich, dass in erster Linie Frauen der Hexerei ver- fallen würden. Q Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller den Glauben ableugnet, was die Grundlage für die Hexerei ist (…). Und wie sie aus dem ersten Man- gel, dem des Verstandes, leichter als Männer den Glauben ableug- nen, so suchen, ersinnen und voll- führen sie (…) verschiedene Rache (sei es durch Hexerei, sei es durch irgendwelche andern Mittel). Da- her ist es kein Wunder, dass es eine solche Menge Hexen in die- sem Geschlechte gibt. (Jakob Sprenger, Heinrich Institoris, Der He- xenhammer, 1. Teil, Berlin 1906, S. 93f.) Auch in anderen Werken der damaligen Zeit wurden häufig aus dem Zusam- menhang gerissene Stellen aus der Bibel und antiken Schriften verwendet, um Frauen als „primitive und gefährli- che Geschlechtswesen“ zu verdammen. Selbst gebildete Männer vertraten diese Ansicht. 1595 erschien beispiels- weise eine Doktorarbeit mit dem Titel „Beweise, dass Frauen keine Menschen seien“. Der Jurist Bodin wies der Frau einen Platz zwischen Mensch und Tier zu, das Wertverhältnis zwischen Mann und Frau bezifferte er auf 50:1. Neben den machtpolitischen Interessen der Kirche, der Frauenfeindlichkeit und dem Aberglauben liegt ein weiteres Motiv für die Hexenverfolgungen in der Habgier vieler Menschen: Das Vermö- gen der als Hexen Ermordeten wurde nämlich eingezogen und fiel zu zwei Dritteln an den Grundherrn, den Rest teilten sich Richter, Geistliche, Ankläger und Henker. Dies öffnete dem Denun- ziantentum und der schamlosen Berei- cherung Tür und Tor. Geriet ein Mensch in die Mühlen eines Hexenprozesses, so war ein Entrinnen nur schwer möglich. Im Gefängnis wa- ren die Angeklagten der Brutalität der Richter und Folterer ausgesetzt. Die häufigsten Vorwürfe gegen Hexen lauteten: Bund mit dem Teufel, sexu- eller Verkehr mit ihm, Schadenzauber an Mensch und Vieh. Unter grausamen Folterungen wurden „Geständnisse“ erzwungen. „Einsichtige“ Opfer wur- den, ehe sie auf den Scheiterhaufen kamen, „gnadenhalber“ geköpft oder erdrosselt, nicht geständige lebendig verbrannt. Die größten Hexenverfolgungen auf dem Gebiet des heutigen Österreich fanden in der Steiermark, in Tirol und Salzburg statt. Dort wurden allein im „Zauberer-Jockel-Prozess“ 115 Frauen, Männer und Kinder als Hexen verurteilt und verbrannt. Nicht nur in Europa, auch in den USA grassierte der Hexenwahn. Eine berüch- tigte Hexenjagd fand gegen Ende des 17. Jahrhunderts in dem Dorf Salem (Massachusetts) statt, welche die Ge- sellschaft Neuenglands schockierte und vielen das Leben kostete. Nur wenige Menschen waren mutig genug, gegen den Hexenwahn ihre Stimme zu erheben. Zu ihnen gehörte der Jesuit Friedrich von Spee, der in seinem Werk „Cautio criminalis“ (1631) die sofortige Einstellung aller Prozesse forderte. Erst im Zeitalter der Aufklärung kam es zu einer schrittweisen Eindämmung der Hexenprozesse. 1782 wurde die letzte Hexe auf deutschsprachigem Boden (im schweizerischen Glarus) verbrannt. Die Rechtsgrundlage für die Hexenprozesse war die peinliche Halsgerichtsordnung (Con- stitutio Criminalis Carolina) Karls V. von 1532. Niemand konnte ohne Geständnis verurteilt werden, deswegen war die Folter ein Teil des Rechtssystems. Titelblatt des Erstdruckes, Mainz 1533 mit Darstellung von Folter und Hinrichtungswerkzeugen. 144 Politische Bildung – Kompetenztraining Läng schnitt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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