Zeitbilder 5/6, Schulbuch
Gegenreformation bringt Elend und Gewissensnot Bis zum Jahr 1555 war ein Großteil der Bevölkerung in den österreichischen Erblanden, in Böhmen und Ungarn zur evangelischen Lehre übergetreten. Deshalb began- nen Kaiser Ferdinand I. und seine Nachfolger – gemäß den Beschlüssen des Augsburger Religionsfriedens –, die Gegenreformation auch im heutigen Österreich einzuleiten. Bis zum Ende des 16. Jh. konnten sich die überwiegend protestantischen Stände (Adel und Städte) erfolgreich dagegen wehren. Denn die habsburgischen Landesherren brauchten von ihnen stets Geld und Solda- ten zur Abwehr der immer noch drohenden Osmanen. An der Wende zum 17. Jh. jedoch wurde die Gegenre- formation, vor allem von der Residenz Graz aus, bei den bäuerlichen Untertanen und in den Städten mit aller Strenge durchgeführt. Evangelische Schulen wurden geschlossen, die Prediger ausgewiesen und den Pasto- ren die Abhaltung ihrer Gottesdienste verboten. Auf das Land wurden Religionskommissionen geschickt, die sich aus Geistlichen, landesfürstlichen Beamten und Soldaten zusammensetzten. Sie befahlen alle Frauen und Männer in die Kirche, wo sie zur Beichte und Kom- munion gehen mussten. Wer dieser Aufforderung nicht folgte, musste Hab und Gut zusammenpacken und aus- wandern, andere wieder wurden vor Gericht geladen. Lutherische Schriften mussten abgegeben werden und wurden verbrannt. Katholische Geistliche, Lehrer und Richter wurden eingesetzt. Es wurde belehrt, verhört und der Eid auf die katholische Religion verlangt: Q Ich gelob und schwör hiemit vor Gott und der Welt einen leiblichen Aidt, dass ich dem durch- leichtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Ferdinanden, Ertzherzogen zu Oesterreich etc., (…) die Zeit mei- nes Lebens gethreu und gehorsamb sein, dero Ge- bot und Verbot würkhlich halten und voltziehen, wie auch der nachgesetzten Obrigkheit allen schuldigen Gehorsamb laisten und ertzeigen will. Am Andern wil ich mich aller Rebelion und Aufstandt in Ewigkeit nit allein enthalten (…), sondern da ich was dergleichen vermerkhte, dasselb vilmehr ver- hueten helffen und der Obrigkeit zeitlich antzeigen. Zum Dritten will ich mich von nun an aller sectischen verfüerischen Predicanten und derselben Lehr und Predigen, auch der in Heüsern haimliche Winkhel Predigen und Lesung khetzerischer Bücher (…) ent- halten, (…) dieselben anzeigen und in Verhafftung bringen helffen (…). Und zum Vierten will ich meiner geistlichen Obrigk- heit und der Briesterschaft (…) allen schuldigen Ge- horsamb und gebürliche Ehr laisten (…), ihnen ihr Gebur und pfarrliche Gerechtigkheiten treulich und willig raichen, auch sie bey Tag und Nacht vor allem Gewalt und Widerwertigkheiten (…) schutzen und schirmen, bey Verlierung meines Leib und Lebens, Haab, Guet und Bluet, als wahr mir Gott helff und das heilig Evangelium. (Conversionseid, 1603; in: Zahn, Steirische Miscellen, S. 105) Welche Pflichten mussten die Untertanen mit diesem Eid erfüllen? Unterscheide zwischen religiösen und anderen Pflichten. Die Gegenreformation erzeugte bei vielen Untertanen Gewissensnot, führte zu religiöser Gleichgültigkeit und Heuchelei. In manchen Alpendörfern (wie z. B. in der steirischen Ramsau) hielt die Bauernschaft über Jahr- hunderte heimlich am protestantischen Glauben fest, um nicht die Heimat verlassen zu müssen. Unter Kaiser Ferdinand II. verloren auch die Adeligen die Glaubens- freiheit: Viele wanderten daraufhin aus, mussten aber ihre Kinder im Land lassen, wo sie von katholischen Vormündern erzogen wurden. Die Ungarn bekamen wegen der „Türkengefahr“ schon 1609 ihre Religionsfreiheit zugestanden. Die Protestan- ten und Calvinisten in den österreichischen Ländern erhielten erst 1781 mit dem Toleranzpatent Kaiser Jo- sephs II. das Recht auf freie Religionsausübung. Volle Gleichberechtigung erlangte die evangelische Kirche erst 1961. Die Auswirkung der Reformation auf Europa Jahrzehnte des Bürgerkrieges in Frankreich Die katholischen französischen Könige hatten die deut- schen Protestanten unterstützt und sich auch mit den muslimischen Osmanen gegen die katholischen Habs burger verbündet. Aber das Eindringen der reformier- ten Lehre wollten sie mit aller Macht verhindern. Den- noch gab es bereits um 1560 mehr als 2 000 reformierte Gemeinden. Auch der Adel war in der Glaubensfrage gespalten, was schließlich zu einem mehr als drei Jahr- zehnte dauernden Bürgerkrieg führte. Die Hugenotten erhielten Unterstützung von England, die Katholiken von Spanien. Erst Heinrich IV. (1589–1610) beendete den grausamen Krieg. Aus staatspolitischen Gründen wechselte der erste Bourbonenkönig wieder zum ka- tholischen Glauben („Paris ist eine Messe wert!“). Er gewährte aber den Hugenotten im Edikt von Nantes (1598) Glaubensfreiheit und bürgerliche Gleichberech- tigung. Spaniens Kriege für Glauben und Weltherrschaft Spanien blieb die mächtigste Bastion der katholi- schen Kirche: Während der Regierung König Philipps II. (1556–1598), dem Sohn Karls V., ging die kirchliche Inquisition unerbittlich gegen alle Nichtkatholiken vor. Die Anhänger der Reformation wurden gefoltert und als Ketzer hingerichtet, tausende Juden und Mauren aus dem Land vertrieben. Als Verteidiger des Glaubens und um Weltherrschaft bemüht führte Philipp II. auch an anderen Fronten Krieg: 1571 brach Spanien mit einem entscheidender Seesieg bei Lepanto die Vorherrschaft der Osmanen im Mittelmeer. Als Königin Elisabeth I. von England ihre katholische Rivalin Maria Stuart hinrichten ließ, fuhr die gewaltige spanische Armada zum Kampf ge- gen England. Der Sieg der Engländer (1588), die von der niederländischen Union unterstützt wurden, hatte weltpolitische Bedeutung: Spaniens Seemacht war da- mit gebrochen, Englands Aufstieg zur weltgrößten See- macht begann. 138 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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