Zeitbilder 5/6, Schulbuch

12. Vom Augsburger Religionsfrieden zur Gegenreformation Die neue Lehre: einmal verboten, einmal erlaubt Wegen der außenpolitischen Situation konnte der Kai- ser das Wormser Edikt (Verbot der Lehre Luthers) vor- erst nicht durchsetzen. Im Südosten des Reiches rück- te das Heer des osmanischen Sultans immer näher. Im Westen stellte sich der französische König den Hege- monieansprüchen Karls V. kampfbereit entgegen (vgl. S. 252). Daher benötigte er die wirtschaftliche und mi- litärische Hilfe aller deutschen Fürsten und musste – je nach Kriegslage – den Anhängern der „neuen Reli- gion“ Zugeständnisse machen. So sicherte er beim 1. Reichstag von Speyer (1526) den Reichsständen freie Religionsausübung zu. Kaum aber hatte er mit Frank- reich Frieden geschlossen und waren die Osmanen von Wien abgezogen (1529), bestand er wieder auf strenger Durchführung des Edikts. Dagegen „protestierten“ nun die evangelischen Reichsstädte und Fürsten (daher der Name „Protestanten“). Sie überreichten dem Kaiser auf dem Augsburger Reichstag im Jahre 1530 ihr eigenes Glaubensbekenntnis, das so genannte Augsburger Be- kenntnis (A.B.). Da Karl V. – gestärkt durch seine Er- folge – unnachgiebig blieb, schlossen sich die prote- stantischen Reichsstände zum Schmalkaldischen Bund zusammen. Damit war aus dem Religionskonflikt auch ein politischer Konflikt entstanden. Der Kampf um Religion und Macht im Reich Karl V. wollte die Fürsten mit aller Macht unterwerfen. Nur so glaubte er, eine einheitliche katholische Religion im Reich durchsetzen zu können. Doch es ging auch um die politische Macht: Da Luther die Landesfürsten als Leiter der evangelischen Landeskirchen vorsah, verei- nigten diese nun die weltliche und geistliche Führung in einer Person. Dieser Machtzuwachs der Landesher- ren schwächte den Kaiser und seine zentrale Reichsge- walt. Das wollte der Kaiser um jeden Preis verhindern. Wegen eines neuerlichen Angriffs der Osmanen und weiterer Kriege gegen die Franzosen konnte der Kai- ser vorerst nichts gegen die Reichsfürsten unterneh- men. Doch nachdem er mit beiden Mächten Frieden geschlossen hatte, wollte er 1546 seine Macht auch im Reich militärisch durchsetzen. Im folgenden Schmalkaldischen Krieg fügte er den Protestanten eine schwere Niederlage zu. Nun verbün- deten sich die protestantischen und auch katholischen Fürsten sogar mit dem König von Frankreich, um sich gegen die kaiserlichen Machtansprüche zu wehren. Augsburger Religionsfrieden – vollzogene Kirchenspaltung Erbittert zog sich Karl V. daraufhin nach Spanien zurück und überließ die Regelung der religiösen Frage seinem Bruder Ferdinand, der in den österreichischen Erblan- den regierte. 1555 kam es endlich zum Augsburger Religionsfrieden, in dem verfügt wurde: Das Augsburger Bekenntnis ist dem römisch-katholi- –– schen gleichberechtigt. Der Landesfürst kann seine Religion wählen und be–– stimmt damit das Bekenntnis seiner Untertanen. Wer den Glauben des Fürsten nicht annimmt, muss –– auswandern. Die geistlichen Landesfürsten (Äbte, Bischöfe), die –– zum evangelischen Glauben übertreten, verlieren Amt und Güter. Warum konnte Kaiser Karl V. seinen Machtanspruch gegenüber den Protestanten schließlich nicht geltend machen? Durch welche hochgestellten Personen im Reich wurde die Reformation unterstützt? Warum? Kann sich eine (politische, soziale, religiöse) Idee durch- setzen, wenn sie nicht von einflussreichen Gruppen in der Gesellschaft unterstützt wird? Begründet die Antworten. Der Calvinismus – eine demokratische Kirche? Luther war nicht der einzige Reformator im Heiligen Römischen Reich. In der Schweizer Stadt Genf setzte der aus dem katholischen Frankreich geflüchtete Jean Calvin (1509–1564) seine Reformvorstellungen in die Wirklichkeit um. Im Gegensatz zu Luthers Vorstellung vom gütigen und gnädigen Gott meinte Calvin, dass das Schicksal jedes Menschen durch Gottes unergründ- lichen Ratschluss zur Verdammnis oder ewigen Selig- keit vorherbestimmt ist (Prädestinationslehre). Nur wer ein strebsames und pflichterfülltes Leben führe, könne hoffen, zu den Auserwählten für die ewige Seligkeit zu gehören.  In der calvinistischen Kirche steht eine Kanzel anstelle eines Altars im Mittelpunkt. Die Männer nehmen ihren Hut nur ab, wenn aus der Bibel gelesen oder der Name Gottes ausgesprochen wird. Die Adeligen haben gepolsterte Sitze, die anderen Gemeindemitglieder sitzen auf harten Bänken. 136 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=