Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Die „12 Artikel“ im deutschen Bauernkrieg 1525 März 1525: In der süddeutschen Stadt Memmingen geschieht etwas Bedeutendes: Die wichtigste politische Flugschrift des Bauernkrieges wird un- terzeichnet. Beteiligt daran waren Vertreter der aufständischen Bauern, besonderen Anteil hatten der Memminger Handwerker Sebstian Lotzer und der Prediger Christoph Schappeler, ein glühender Anhänger der Reformation. Diese Streitschrift der Bauern enthält einen Forderungskatalog. Er wurde als die „12 Artikel“ berühmt. Die Wirkung dieser Flugschrift war enorm: Innerhalb weniger Wochen wurden über 25 000 gedruckte Exemplare in den Aufstandsgebieten der Bauern verbreitet. An vielen Orten wurden die „12 Artikel“ wörtlich übernommen, an manchen um einige Forderungen erweitert. Zu der Zeit sind sie in ihrer Bedeutung lediglich mit den Schriften Luthers vergleich- bar. Diese politische Flugschrift gilt heute als erste Formulierung von Freiheits- und Menschenrechten auf mitteleuropäischem Boden. Q Aus den 12 Artikeln: Die Bauern wollen keinen Aufruhr und keine Ge- walt, nur die Lehren des Evangeliums: Frieden, Ge- duld und Einigkeit sollen Wirklichkeit werden. 1. Freie Pfarrerwahl und Predigt des reinen Evange- liums. 2. Verwendung des Kornzehents nur für den Unter- halt des Pfarrers und für die Armen. 3. Aufhebung der Leibeigenschaft, aber Gehorsam gegenüber der von Gott eingesetzten Obrigkeit. 4. Freie Jagd und freier Fischfang. 5. Wiederherstellung des Rechtes, aus dem Gemein- dewald frei Holz entnehmen zu können, ohne dafür dem Herrn zahlen zu müssen. 6. Minderung der Frondienste auf ein erträgliches Maß. 7. Dienste darüber hinaus sollen bezahlt werden. 8. Zinsen, Steuern und andere Abgaben sollen je nach Ertragslage neu festgesetzt werden. 9. Es soll nach dem „alten Recht“ (Gewohnheitsrecht) geurteilt werden und nicht nach „Gunst“. 10. Unrechtmäßig angeeignetes Gemeindeland (All- mende) soll zurückgegeben werden. 11. Abschaffung der beim Tod eines Bauern anfallen- den Abgaben. 12. Jeden Artikel, der nicht mit der Hl. Schrift über- einstimmt, wollen die Bauern sofort zurücknehmen. (Gekürzt und vereinfacht nach: Hug, Geschichtliche Weltkunde 2, 1977, S. 34 f.) 11. Politische Flugschriften in der Neuzeit Philipp Melanchthon und die rebellischen Bauern Martin Luther schrieb 1520 von der „Freiheit eines Christen- menschen“. Viele Bauern, die zu Anhängern der Reformation wurden, übertrugen den Freiheits-Gedanken auch auf weltliche und politische Angelegenheiten. Sie beriefen sich jetzt auf das „Göttliche Recht“, das ihnen Freiheit zusichere, Dies belegen auch die „12 Artikel“ vom März 1525. Luther aber schrieb im April eine „Ermahnung zum Frieden an die Bauernschaft in Schwaben“. Als der Bauernkrieg immer grausamer wurde, verfasste er im Mai 1525 die Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten und Bauern“. Darin forderte er die Obrigkeit auf, mit Gewalt einzugreifen. Auch sein Freund und Mitstreiter, der Reformator Philipp Melanchthon (1497–1560), wandte sich in seiner „Schrift gegen die Artikel der Bauern“ gegen den Bauernaufstand. Q (Salomo spricht:) „Mein Sohn, fürchte Gott und den König und menge dich nicht unter die An- führer, denn ihr Verderben wird plötzlich kommen“ (Spr.. 24, 21 ff.). Darüber hinaus fordert das Evange- lium, dass man Unrecht nicht nur von der Obrigkeit, sondern von einem jeden ertragen solle, wie es in Matthäus 5 geschrieben steht: „Ich sage euch, dass ihr gänzlich dem Übel nicht widerstehen sollt. Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, dann biete auch die andere dar etc.“ (Mt. 4, 39). Und Römer 12: „Ihr sollt euch nicht selbst schützen, weicht dem Zorn, denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein und ich will vergelten.“ (Röm. 12, 19). So verhalten sich Christen. Sie greifen nicht zum Schwert und dringen nicht in die Besitztümer anderer ein, greifen nicht an wie die Bauern, die sich, Christus zur Schan- de, eine christliche Gemeinde nennen.(…) Frevel und Gewalt ist auch, dass sie nicht leibeigen sein wollen. Was sie aber aus der Schrift beibringen, Christus habe uns frei gemacht, meint eine geistliche Freiheit (…). Die christliche Freiheit ist imHerzen. Sie lässt sich nicht mit fleischlichen Augen anschauen. Äußerlich trägt ein Christ geduldig und fröhlich jede weltliche und bürgerliche Ordnung und gebraucht sie wie Essen und Kleidung. Er kann leibeigen oder untertan sein, er kann auch adelig und ein Herrscher sein. Er kann sich an das sächsische oder das römi- sche Recht bei der Aufteilung der Besitztümer hal- ten; diese Dinge betreffen nicht den Glauben. (Eyn schrifft Philippi Melanchthonis widder die artikel der Bawrschafft. 1525. In: Melanchthons Werke in Auswahl, hrsg. von R. Stupperich, Bd. 1, Gütersloh 1983. Modernes Deutsch zitiert nach: Hans-Rüdiger Schwab, Melanchthon als Lehrer Deutschlands. München 1997, S. 80) 134 Politische Bildung – Kompetenztraining Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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