Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Missstände abzustellen („Ihr müsst anders werden!“). Er galt den Bauern und den städtischen Unterschichten als Vorbild. Denn er hatte bewiesen, dass man geistlichen und weltlichen Autoritäten erfolgreich Widerstand lei- sten konnte. Luther hatte in seiner Schrift „Von der Frei- heit des Christenmenschen“ festgestellt: „Ein Christen- mensch ist ein freier Herr und niemandem untertan“. Diese Aussage bezogen die unteren Schichten – im Ge- gensatz zu Luther – nicht nur auf den Glauben, sondern auch auf ihre politische und soziale Situation. Daher for- derten z.B. die Bauern die Abschaffung der Leibeigen- schaft, eine Senkung der Abgaben und Dienste für die Grundherrn und fassten ihre Forderungen mancherorts auch schriftlich zusammen (vgl. Politische Bildung: Poli- tische Flugschriften in der Neuzeit, S. 134 f.). Im Reich beginnt der große Bauernkrieg Der Adel war nicht bereit, die anfangs friedlich vorge- tragenen Wünsche der Bauern anzuerkennen. Im Früh- jahr 1525 kam es daher zu zahlreichen Aufständen, denen sich auch arme Stadtbewohner und Bergleute anschlossen: in Süddeutschland, in Tirol, Salzburg und der Steiermark. Kleinere Erhebungen gab es auch in Ober- und Niederösterreich. Mit Sensen, Sicheln, Keulen, Äxten, Spießen und Mor- gensternen zogen „Haufen“ von Bauern durchs Land. Sie eroberten Burgen und kleinere Städte, setzten Klö- ster in Brand, machten Kriegsbeute und töteten auch Adelige, wenn sie ihnen in die Hände fielen. Martin Luther, Anstoß und Vorbild für viele der Aufstän- dischen, wies nicht nur jede Schuld von sich, die Bauern zur Rebellion angestachelt zu haben. Im Gegenteil, nun forderte er die Adeligen zur Niederschlagung der Bau- ernaufstände auf. In seiner Schrift „Wider die mörderi- schen und räuberischen Rotten der Bauern“ heißt es: Q (…) Denn Aufruhr ist nicht einfacher Mord, son- dern wie ein großes Feuer, das ein Land anzün- det und verwüstet; so bringt Aufruhr mit sich ein Land voll Mords, Blutvergießen und macht Witwen und Waisen (…) Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen (…), wer da kann, und daran denken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch. (Dickmann, Geschichte in Quellen 3, München, 1982, S. 154, Bearb. d. A.) Österreich: anfängliche Erfolge der Bauernheere Zu Beginn der Aufstände feierten die Heere der Bau- ern einige militärische Erfolge. Häufig wurden sie dabei von Bergknappen (z.B. aus dem Enns- oder Gasteiner- tal, aus dem steirischen Eisenerz oder Schwaz in Tirol) unterstützt. Diesen Heeren gelang es z.B. die Stadt Salzburg, die Residenz des Erzbischofs, oder die steiri- sche Bergbaustadt Schladming zu besetzen. Hier wur- de auch das Heer des Landeshauptmannes vernichtend geschlagen. Das letzte Aufbäumen der Reichsritter Schon seit dem Spätmittelalter zeichnete sich der un- aufhaltsame Niedergang des Kleinadels ab. Auf den Reichstagen verhandelte der Kaiser nur noch mit den Reichsstädten und Landesfürsten. Die Reichsritter hat- ten ihre Mitsprache verloren. Teilweise waren sie schon den Landesfürsten untertan und in deren Dienste ge- treten. Ihre große militärische Bedeutung als reitende Einzelkämpfer hatten sie verloren: Kriege wurden mitt- lerweile von Landsknechtsheeren entschieden, die mit Handfeuerwaffen und Geschützen ausgerüstet waren. Viele der noch unabhängig gebliebenen Ritter verleg- ten sich daher in kleinen, undisziplinierten Gruppen auf Straßenraub, Plünderung von Dörfern, Städten und Klö- stern. Sie terrorisierten Arm und Reich mit Brandschat- zung und Gewalttaten. Nur wenige Ritter, wie der Humanist Ulrich von Hutten, waren wirklich gebildet. Er unterstützte Luthers Forde- rung nach Abschaffung der kirchlichen Missstände und dessen Abkehr vom Papst. Gemeinsam mit dem Führer der rheinischen und schwäbischen Ritterschaft, Franz von Sickingen, wollte er die Macht der Fürsten und Reichsstädte brechen und die Kirche von der Vorherr- schaft Roms lösen. Die Reichsritterschaft sollte wieder zur wichtigsten Stütze einer starken, kaiserlichen Zen- tralgewalt werden. Doch weder Luther noch Kaiser Karl V. unterstützten dieses Vorhaben. Der Aufstand der Reichsritter (1522) gegen die „fetten Pfaffen“ und deren Söldnerheere war daher von Anfang an aussichtslos. Denn auch viele Ritter verweigerten ihre Unterstützung. Sie hatten sich von ihren Fürsten einschüchtern lassen, die mit dem Entzug der Lehen drohten. So endete das letzte Aufbäumen der Reichs- ritter mit einer Niederlage auf allen Linien. Sie hatten ihre Rolle als Träger des Feudalstaates endgültig aus- gespielt. Die Bauernaufstände haben viele Ursachen Schon in den letzten Jahrzehnten des 15. Jh. und auch zu Beginn des 16. Jh. gab es in verschiedenen Gebie- ten des Heiligen Römischen Reiches zahlreiche kleine- re Aufstände unzufriedener Bauern. Die Ursachen dafür waren überall ähnlich: wirtschaftliche Schwierigkeiten durch ständig stei- –– gende oder neue Abgaben und durch Missernten; der Ausschluss vom politischen Leben sowie die Ab- –– schaffung der Selbstverwaltung in den Dörfern; Rechtlosigkeit und Rechtsunsicherheit durch den Ein- –– satz landesfürstlicher Amtleute, die nach dem „neu- en“, unbekannten römischen Recht urteilten; neue religiöse Ideen, die ein gerechteres und erfüllte- –– res Leben erwarten ließen. Der falsch verstandene Luther Luthers neue Lehre, die bald auch im entlegensten Dorf verkündet wurde, verstärkte die Unzufriedenheit der Bauern. In einem Brief forderte Luther 1523 die Fürsten auf, die Forderungen der Bauern zu überprüfen und 10. Die Reformation – Auslöser der Sozialrevolution 132 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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