Zeitbilder 5/6, Schulbuch
dung war also noch immer nur einem kleinen, elitären Kreis von Menschen möglich: Mitglieder des reichen Bürgerstandes und dem Höfling. Wie bedeutend ist eurer Meinung nach Bildung für den gesellschaftlichen Aufstieg heute? Der Mensch entdeckt sich selbst! L Renaissance ist im Unterschied zum Mittelalter ein Aufbegehren des Menschen zu Gunsten des Menschen (…). Der Mensch und mit ihm die Natur und die Welt – nämlich „seine“ Welt – wurden der „anderen“ Welt, dem Jenseits, gegenübergestellt. (…) Im christlichen Mittelalter gab es keinen Platz für den Menschen als eigene Persönlichkeit; in der Renaissance setzte man ans andere Ufer über: Die menschliche Persönlichkeit wurde ins Zentrum der Betrachtung gerückt. (Diwald, Anspruch auf Mündigkeit, 1982, S. 134 f.) Welches Weltbild hatte der „ mittelalterliche Mensch“ des christlichen Abendlandes? Was kennzeichnete nun den „neuen“, den Renaissance- Menschen? Im Laufe des 15. Jh. orientierten sich gerade die bildenden Künstler an ihrer eigenen Schaffenskraft und Originalität. Sie begannen, ihre Werke zu signie- ren. Jetzt stand das Individuum, der in der Welt stehen- de Mensch, im Vordergrund. Und der Held, der dem Göttlichen nahe kommen will, wurde in Standbildern verewigt. Renaissance – die „Wiedergeburt der Antike“ Seit dem 14. Jh. wurde es in Italien „modern“, sich mit der antiken Kultur zu beschäftigen. Besonderes Inter- esse galt dem Schrifttum der römischen Klassiker, wie z. B. Cicero, Caesar oder Livius, aber ebenso den Lehren des Kirchenvaters Augustinus. Der Funke der Begeisterung für die klassische lateinische Literatur und die „ruhmvolle Grö- ße“ des antiken Rom erfasste viele Gelehrte und Künstler in allen größeren italienischen Städten. Der aus Florenz stammende Dichter Francesco Petrarca verfasste den Großteil sei- ner Werke in klassischem Latein. Durch seine Briefwechsel mit berühmten Zeitgenossen, Königen, Päpsten und dem Luxemburger Kai- ser Karl IV. trug er zu einer Wiederbelebung antiken Gedankenguts in den europäischen Herrschaftskreisen bei. Sein Dichterkollege Giovanni Boccaccio, dessen italienisch ver- fasstes Werk „Decamerone“ noch heute zur Weltliteratur zählt, machte das Griechische in Italien „gesellschaftsfähig“: Er ließ die Homer zugeschriebenen Werke in Florenz übersetzen. Diese von der Literatur ausgehende Beschäfti- gung mit der Antike griff bald auf die bildende Kunst (Architektur, Plastik, Malerei) über. Die „Wiedergeburt der Antike“ (= Renaissance) war damit endgültig eingeleitet. Die Humanisten – ein elitärer Gelehrtenkreis Während im Mittelalter Bildung fast ausschließlich in den Kloster- und Domschulen vermittelt wurde, ent- standen im 14. und 15. Jh. in den italienischen Städten und an den Fürstenhöfen zunehmend private Schulen. Gelehrte sammelten dort Schüler um sich und unterrich- teten Philosophie, Rhetorik, Geschichte, Poesie und das klassische Latein. Nach der Einnahme Konstantinopels durch die Osmanen verbreiteten viele in den Westen geflüchtete Lehrer das Altgriechische. Auch Hebräisch wurde wegen der Bibelkritik von manchen Schülern gelernt. Diese Fächer galten im Gegensatz zur Theo- logie, der Medizin und dem Rechtsstudium als huma- nistisch (lat. humanus = menschlich). An den europä- ischen Universitäten lehrte und schrieb man dagegen nach wie vor im mittelalterlichen „Gebrauchslatein“, das von den Humanisten verachtet wurde. Diese neuen Gelehrten forderten die Rückkehr zu den Ursprüngen der „reinen“ Sprache und Schrift des klassischen La- tein. Im Textvergleich der fehler- und manchmal auch bruchstückhaften Handschriften entwickelten sich die Sprach- und Literaturwissenschaften. Mit dieser Arbeit begründeten die Humanisten auch die klassischen Al- tertumswissenschaften. Fürsten, Könige und Päpste umgaben sich gerne mit den besonders bekannten und schon zu ihren Lebzeiten be- rühmten Humanisten und Künstlern. Als Mäzene boten sie ihnen Schutz und Förderung, bedachten siemit öffent- lichen Aufträgen, gut bezahlten Posten in Wissenschaft und Kunst oder holten sie als Ratgeber in die Politik. Der größte Teil der Bevölkerung (mehr als 90 Prozent) aber konnte weiterhin weder lesen noch schreiben. Bil- Raffael, Die Schule von Athen (Fresko, um 1510). Das Wandgemälde zeigt eine Ver- sammlung von Künstlern und Philosophen der Antike, in der Mitte Plato und Aristoteles. Plato trägt die Züge Leonardo da Vincis. Raffael selbst hat sich in der zweiten Figur von rechts, in der Gruppe um den Mathematiker Archimedes, porträtiert. 113 4 Die frühe Neuzeit Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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