Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Schrift und Wissenschaft Eine wichtige Errungenschaft der frühen Hochkulturen ist die Erfindung der Schrift. Sie war notwendig für die Verwaltung vor allem größerer Reiche und für den im- mer wichtiger werdenden (Fern-)Handel bzw. auch für die Entwicklung der Wissenschaften. Ab etwa 3000 v. Chr. kam es zur Ausbildung erster Schriftsysteme in Mesopotamien, Ägypten und Chi- na. Die heutige chinesische Schrift hat ihre Wurzeln in dieser ursprünglichen Bilderschrift. In Ägypten wurde als erstes die Hieroglyphen-Schrift (= heilige Einker- bungen) entwickelt. Zunächst standen die Bildsymbole für ganz konkrete Objekte oder Begriffe – ein Zeichen bedeutete ein Wort. Bald darauf konnte dasselbe Zei- chen aber auch die Bedeutung von Silben annehmen. Schließlich konnte dieses Zeichen zusätzlich auch nur den Anfangsbuchstaben des dargestellten Begriffs re- präsentieren. Aus den Hieroglyphen entwickelte sich die Hieratische Schrift, bei der die Zeichen vereinfacht und miteinander verbunden wurden. Diese Schrift eig- nete sich viel besser für die Schreibmaterialien Papyrus, Tusche und Pinsel. Im 7. Jh. v. Chr. wurde schließlich die Demotische Schrift als Alltagsschrift entwickelt und blieb mehr als 1000 Jahre lang in Verwendung. Auch die Schrift der Sumerer in Mesopotamien durch- lief mehrere Entwicklungsstufen: Aus Piktogrammen (= einfache Bildzeichen) entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte Bildsymbole für einzelne Laute. Schon um etwa 2400 v. Chr. konnten alle Laute schriftlich wie- dergegeben werden (= Voraussetzung für eine spätere Buchstabenschrift). Etwa gleichzeitig kam auch die so genannte Keilschrift auf, bei der die Symbole mit einem dreikantigen Keil in die Tontafeln eingedrückt wurden. Sowohl die Hieroglyphen als auch die Keilschrift wur- den schon im 19. Jahrhundert entziffert. Da der Handel für die Ägypter sehr wichtig war, mus- sten sie auch messen, wiegen und rechnen. Ihr Zahlen- system hatte die 10 als Grundzahl. Sie kannten aller- dings noch nicht den Stellenwert, weshalb sie für 1, 10, 100, 1 000 verschiedene Zeichen setzten. Die Schreiber beherrschten aber die vier Grundrechnungsarten. Für die Praxis (z. B. Feldvermessungen, Baukunst) besaßen sie auch die notwendigen geometrischen Kenntnisse. Die medizinischen Fähigkeiten der Ägypter lagen ein- deutig in der „praktischen“ Heilkunst, also dem Erken- nen (Diagnose) und Behandeln (Therapie) von Krank- heiten. Es gab bereits „Fachärzte“, zum Beispiel für die Augen, die Verdauungsorgane oder für den Schädel. Es existierten auch schon Lehrbücher der Medizin auf Pa- pyrusrollen. Unheilbare Krankheiten durften nicht be- handelt werden. Auch die verschiedenen Völker Mesopotamiens er- brachten erstaunliche wissenschaftliche Leistungen. So konnten sie z.B. schon sehr früh Sonnen- und Mond- finsternisse vorherbestimmen oder den Lauf von Plane- ten beschreiben. Sie verwendeten ihre astronomischen Kenntnisse vor allem zur Zukunftsdeutung bzw. zur Voraussage des Schicksals (= Astrologie). Grundlage dafür waren allerdings gut entwickelte mathematische Kenntnisse. Das Zahlen-, Maß- und Gewichtssystem war auf der Grundzahl 6 aufgebaut (vgl. unsere heutige Zeiteinteilung). Der Kalender und seine Reformen Für Ägypten war das alljährliche Einsetzen der Nil- überflutung ein lebenswichtiges Ereignis. Um diesen Tag möglichst genau vorherbestimmen zu können, be- schäftigten sich Menschen schon mit Astronomie und das führte zur Schaffung eines Kalenders. Das Kalenderjahr der Ägypter hatte zwölf Monate zu je dreißig Tagen und fünf geheiligte Ergänzungstage, zu- sammen also 365 Tage. Die Umlaufzeit der Erde um die Sonne beträgt aber 365,25 Tage. Der Vierteltag war nicht berücksichtigt. Dadurch verschoben sich die Jahreszei- ten und kehrten erst nach 1 460 Jahren zum ursprüng- lichen Datum zurück. Die Ägypter kannten diesen Zeit- raum und nannten ihn „Sothis-Periode“. Daraus ist zu schließen, dass die ägyptischen Astronomen die wirkli- che Länge des Sonnenjahres schon bestimmt hatten. Auf Grundlage der ägyptischen Zeitrechnung ließ Julius Caesar im Jahre 45 v. Chr. den „Julianischen Kalender“ erarbeiten und führte ihn im Römischen Reich ein. Die- ser Kalender berücksichtigte den fehlenden Vierteltag durch einen Schalttag alle vier Jahre. Das Julianische Jahr war jedoch im Verhältnis zum Sonnenjahr noch im- mer etwa 11 Minuten zu lang. Im Laufe der Jahrhunderte summierte sich dieser kleine Fehler und erschwerte die Bestimmung der beweglichen christlichen Festtage. Deshalb ordnete Papst Gregor XIII. im Jahre 1582 eine Kalenderreform an. Sie brachte den heute noch gültigen „Gregorianischen Kalender“. Dabei wurden 10 Tage ausgelassen: Auf den 4. folgte der 15. Oktober 1582. Außerdem wurde die Schaltung dahingehend abgeändert, dass von den Säkularjahren (1600, 1700 usw.) nur diejenigen Schaltjahre sind, de- ren beide ersten Ziffern durch 4 teilbar sind. So zeigt sich, dass unsere heutige Jahreseinteilung auf einer uralten Kulturtradition beruht, die in direkter Linie auf die ägyptische Hochkultur zurückgeht. Dieser Grego- rianische Kalender hat sich in der Gegenwart überall auf der Welt durchgesetzt und dient somit als offizielle internationale Zeitrechnung. Dennoch richten sich ver- schiedene Völker und Kulturkreise bei der Ausübung ihrer kultischen bzw. religiösen Handlungen nach ihrem eigenen, manchmal sehr alten Kalender (z.B. jüdischer, chinesischer, islamischer, Maya-Kalender).  Mausoleum von Qin Shi Huangdi. Terrakotta-Statuen von Soldaten sei- ner Armee in Lebensgröße; bei Lintong, China. 11 1 Die Grundlagen der Menschheitsgeschichte Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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