Zeitbilder 5/6, Schulbuch

Zünfte noch viele andere Aufgaben, die heute vom Staat wahrgenommen werden. Die Zünfte gewährten ihren Mitgliedern bei Arbeitsunfähigkeit oder Krank- heit Unterstützung und errichteten für sie Spitäler, Asy- le und Waisenhäuser. Doch es waren bei weitem nicht alle Gewerbe in Zünf- ten vereinigt. In vielen Produktionszweigen sowie im Handel gab es vor allem für die Hilfskräfte reine Lohn- arbeit, die angelernten Kindern, Jugendlichen und vie- len Frauen ein Einkommen ermöglichte. Die Löhne rich- teten sich nach Angebot und Nachfrage. Für wichtige öffentliche Arbeiten konnten die Unternehmer Arbeits- kräfte aus der städtischen Unterschicht auch zwangs- weise und zu niedrigen Löhnen verpflichten. Gesamt gesehen aber nahm die einkommenslose städtische Un- terschicht zu, da die Zahl der Beschäftigten durch die Zunftvorschriften stark eingeschränkt blieb. Die Forderung nach höheren Löhnen, nach mehr Frei- zeit, besserem Essen und Trinken, trieb die Gesellen manchmal auch zum äußersten Mittel des Arbeitskamp- fes – dem Streik. Die Zünfte aber setzten sich immer wieder durch – hatten sie doch jetzt als Mitglieder des Rates auch die Stadtobrigkeit auf ihrer Seite. Frauen und Handwerk Auch Frauen waren in manchen Städten – vor allem im Handel – zünftig organisiert. Sie arbeiteten in den verschiedensten Handwerken – zum größten Teil in den Werkstätten ihrer Ehemänner mit. Manche von ihnen übten sogar in eigenen Werkstätten selbstständig ein Handwerk aus: Q Und weiblichen Geschlechts zu sein hielt mich nicht vom Verlagsgeschäft ab, noch die Tatsache, dass es mehr eine männliche Aufgabe ist. (...) Es ist nicht neu oder unerhört für Frauen, ein solches Ge- werbe zu haben, und man kann viele von uns finden, die nicht allein die Buchdruckerkunst ausüben, son- dern andere, schwierigere und bewundernswertere, und die deshalb höchstes Lobe erhalten. (Jeanne Giunta, Bucherverlegerin aus Lyon, 1579) Die Universität – eine Bereicherung der Städte Kontakte mit dem Islam in Spanien, die Kirchenreform im 11. Jh. und die Städte förderten ein Klima, in dem die Beschäftigung mit den Wissenschaften der Theologie, des Rechtes und der Medizin und auch der Philosophie gedieh. Die Zentren der Gelehrsamkeit verlagerten sich allmählich von den Klöstern an die Universitäten, die sich ab dem 12. und 13. Jh. in den größeren Städten Eu- ropas, z. B. in Bologna, Paris, Padua, Salerno und Nea- pel bildeten. „Universitas“ – das war im Mittelalter zunächst bloß ein Name für eine Genossenschaft, wie es in der Stadt viele gab – z. B. Genossenschaften von Handwerkern, Kauf- leuten usw. Die Universität entstand als Gemeinschaft von Studenten und ihren Professoren zur gegenseiti- gen Hilfe. Die Städte – und später die Landesherren – brauchten vor allem Juristen und gebildete Fachleute zur Verwaltung von Stadt und Land. Mit der Universität war in der europäischen Stadt eine Einrichtung entstan- den, welche im nächsten halben Jahrtausend das Ge- sicht des Abendlandes von Grund auf ändern sollte.  Vorlesung an einer Universität: Ein stetig wachsendes Erkenntnisbe- dürfnis, das von Dom- und Klosterschulen nicht mehr befriedigt werden konnte, führte ab dem Ende des 12. Jh. zur Gründung der ersten Univer- sitäten. Vorlesungen und Disputationen („Streitgespräche“) wurden in lateinischer Sprache gehalten. Dabei wurden vorwiegend Texte antiker Philosophen und Gelehrter diskutiert und interpretiert. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Beschreibe die Karte mit den wichtigsten europäischen Handelsstädten und Handelsverbindungen auf Seite 100. Gruppenarbeit: Jede Gruppe wählt eine Stadt, ein Produkt, das sie exportieren möchte und das Zielgebiet. Informiert euch über die Reisedauer zu Wasser bzw. Land und be- antwortet folgende Fragen: Welcher Weg ist der beste? Mit welchen Gefahren ist auf der Reise zu rechnen? Wie lange wird die Reise dauern? 2. Beschreibe Rolle und berufliche Möglichkeiten von Frauen in einer mittelalterlichen Stadt. Achte da- bei v.a. auf die Unterschiede in den verschiedenen Bevölkerungsschichten. 3. In deiner näheren Umgebung gibt es sicherlich eine Stadt mit mittelalterlichem Stadtkern. Versuche das im Geschichtsunterricht erworbene Wissen über die Beschaf- fenheit einer mittelalterlichen Stadt in die Praxis umzuset- zen: Beschreibe Gebäude, Plätze, Institutionen etc. mit mittelalterlichem Ursprung und präsentiere die Ergebnisse in der Klasse oder in Form einer schriftlichen Arbeit. 4. Warum sind die Städte auch in der Gegenwart daran interessiert, Industrien, Gewerbe und besondere (Aus-) Bildungseinrichtungen anzusiedeln? 101 Das Mittelalter 3 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=