Physik compact, Basiswissen 8, Schulbuch

70 Mikrokosmos 22 Kernfusion (nuclear fusion) Die Sonne sendet seit Milliarden Jahren gewaltige Mengen von Energie aus. Die Quelle dieser Energie konnte im 20. Jh. als Kernverschmelzungsprozess ( Kernfusion ) erklärt werden. Leichte Kerne haben kleinere Bindungsenergie als Kerne mit einer Massenzahl um 50 (vgl. Diagramm Abb. 67.1). Wir vergleichen die Bindungsenergie von Deuterium und Helium (Deuterium ist ein Wasserstoffisotop, das aus 1 Proton und 1 Neutron gebildet wird): Bindungsenergie pro Nukleon pro Kern 2 H 1,1 MeV 2,2 MeV 4 He 7,0 MeV 28 MeV Könnte man also zwei Deuteriumkerne zu einem Heliumkern verschmelzen, so würde die Energie von 28 MeV – 2 · 2,2 MeV ≈ 24 MeV frei. Damit zwei einzelne Kerne zu einem Kern verschmel- zen können, muss zwischen den Nukleonen beider Kerne die starke Kernkraft wirksam werden; die Kerne müssen einander auf 10 –15 m genähert werden. Die- ser Annäherung wirkt die Coulomb´sche Abstoßung der Protonen entgegen. Es ist also zunächst Energie notwendig, um die Deuteriumkerne gegen ihre Cou- lombabstoßung zu nähern (Coulomb-Barriere). Sie kann überwunden werden, indem man die Kerne mit großer Geschwindigkeit aufeinander schießt. Dies ge- lingt entweder, indemman zwei Teilchenstrahlen auf- einander richtet, oder man erhitzt das verschmelzbare Material auf hohe Temperaturen. Im Inneren der Son- ne ist die thermische Bewegung bei der Temperatur von 10 7 K so heftig, dass die Kernfusion einsetzt. Bemerkung: Die Entstehung eines Sternes ist mög- lich, wenn sich eine ausgedehnte kosmische Gaswol- ke, die hauptsächlich aus Wasserstoff besteht, unter dem Einfluss der Gravitation zusammenzieht. Bei der Kontraktion der Wolke, die eine Gesamtmasse von vielen Sonnenmassen haben kann, steigen der Druck und die Temperatur gewaltig an. Bei der Temperatur von etwa 10 7 K beginnen die Kerne zu verschmelzen: Die Energie aus der Kernverschmelzung verhindert aufgrund der hohen thermischen Bewegung der Gas- teilchen die weitere Kontraktion des Sternes und lässt ihn je nach Sternenmasse einige hundert Millionen Jahre bis einige Milliarden Jahre lange leuchten. 22.6.3 A1 Überprüfe in den oben angeführten (Netto)Kern- reaktionen, ob die Zahl der Nukleonen (siehe auch Baryonenzahl) und die Zahl der elektrischen Ladun- gen (Ladungszahl) erhalten bleiben! Ergänze dazu die Kernladungszahlen aller Elemente! Wegen der hohen Temperaturen ist es äußerst schwie- rig, eine kontrollierte Kernfusion ablaufen zulassen. Gasteilchen werden völlig ionisiert und bilden ein Plas- ma . Dieses Plasma wird durch Beschuss mit Teilchen undmit hohen elektrischen Strömen aufgeheizt. Starke Magnetfelder sollen es auf einen Ring eingrenzen. Beispiel Deuterium–Deuterium Reaktion Die Fusion von Deuteriumkernen zu Heliumkernen läuft in vier Stufen ab (dabei wird ua. das instabile Wasserstoffisotop Tritium H-3 gebildet, das aus 1 Proton und 2 Neutronen besteht): 2 H + 2 H → 3 He + 1 n 2 H + 2 H → 3 H + 1 p 2 H + 3 H → 4 He + 1 n 2 H + 3 He → 4 He + 1 p Die Nettoreaktion ergibt: 6 · 2 H → 2 · 4 He + 2 · 1 p + 2 · 1 n + 43,1 MeV Beispiel Deuterium–Tritium Reaktion Bei der Anwesenheit von Lithium Li-6 verläuft die Kernfusion von Deuterium zu Helium in folgenden zwei Stufen (als Zwischenkern bildet sich der insta- bile Tritiumkern H-3): 2 H + 3 H → 4 He + 1 n 1 n + 6 Li → 4 He + 3 H Die Nettoreaktion lautet somit: 2 H + 6 Li → 2 · 4 He + 22,3 MeV Abb. 70.1 Schnitt durch JET= Joint European Torus, Culham, GB. Kurzzeitig gelang es, eine Fusionsreaktion aufrecht zu erhal- ten. Eine größere Anlage (ITER) ist in Planung. BW8/S67 BW8/S86 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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