Physik compact, Basiswissen 7, Schulbuch

116 Bionik 19 Zusammenfassung und Ausblick Prof. Dr.Werner Nachtigall (2002 von der Universität des Saarlandes emeritiert) schlug eine Einteilung der Bionik in 12 Teilgebiete vor: 1. Historische Bionik: Geschichte und Entwicklung bionischer Forschung aus verschiedenen Teilgebieten der Technik und der Biologie. 2. Strukturbionik: Untersuchung biologischer Materialien, Strukturen und Formbildungsprozesse (zB komplexe, hierarchisch aufgebaute Verbund­ materialien, pneumatische Strukturen, Membran- strukturen) auf Anwendungsmöglichkeiten in der Technik. 3. Baubionik: Nutzung natürlicher, gut recyclebarer auch in der Biologie verwendeter Baumaterialien (zB Tonbacksteine mit Stroh als Armierung, Wärme- und Schalldämmung); Konstruktion temporärer techni- scher Leichtbauwerke (zB Seil-, Membranen- und Schalenkonstruktionen), basierend auf Anregungen von natürlichen Leichtbaukonstruktionen. 4. Klima- und Energiebionik: Energieeinsparung und höherer Wohnkomfort durch passive Lüftung, Kühlung und Heizung in Anlehnung an die bei Tier- bauten verwirklichten Prinzipien. 5. Konstruktionsbionik: Analyse der Konstrukti- onselemente und Funktionsmechanismen der meist integrativen und multifunktionellen natürlichen Konstruktionen; Vergleich mit analogen technischen Konstruktionen und Untersuchung von Anwendungs- möglichkeiten in der Technik. 6. Bewegungsbionik: Untersuchung der Strö- mungsanpassungen von schwimmenden und flie- genden Tieren, ihrer Antriebsmechanismen und de- ren mechanischen Wirkungsgrade mit dem Ziel der Verbesserung technischer Konstruktionen (zB Funkti- onsmorphologie undWirkungsgrade von Flügeln und Flossen, Strömungswiderstand der Rümpfe schwim- mender Tiere); Bewegungsanalyse des Laufens von Tieren mit unterschiedlicher Beinzahl als Grundlage für den Bau„laufender Roboter“. 7. Gerätebionik: Entwicklung technisch einsetzba- rer Maschinen, d. h. von Gesamtkonstruktionen, ba- sierend auf Vorbildern aus der Natur (zB von Pumpen, Bohrern, hydraulischen oder pneumatischen Maschi- nen, Förder- und Abbausystemen). 8. Anthropobionik: Optimierung von Mensch-Ma­ schine-Interaktionen, zB durch ergonomische Gestal- 19.7 tung von Bedienungsoberflächen entsprechend der sensorischen und motorischen Gewohnheiten der Menschen; Erhöhung der Effizienz muskelbetriebe- ner Fortbewegungsmittel (zB Fahrräder, Inline Skater oder Langlaufski); Verbesserungen in der Robotik (zB bei der Greifarmsteuerung durch Analysen der Bein- bewegungen von Wirbellosen). 9. Sensorbionik: Entwicklung hochsensibler Sen- sor-, Ortungs- und Orientierungssysteme durch Um- setzung von Konstruktionsprinzipien biologischer Sensoren, die für eine Vielzahl chemischer und physi- kalischer Reize bekannt sind. 10. Neurobionik: Weiterentwicklung von Informa- tionsverarbeitung und Steuerung (zB durch intelli- gente Schaltungen, die Verschaltung von Parallel- rechnern und Neuronale Schaltkreise) ausgehend von Anregungen aus dem Bereich der Neurobiologie und biologischen Kybernetik. 11. Verfahrensbionik: Analyse von Steuerung und Ablauf komplexer biologischer Prozesse und Untersu- chung der Übertragungsmöglichkeit in die Technik; Beispiele sind: die Entwicklung einer Wasserstofftech- nologie nach dem Vorbild der Photosynthese (dieses Beispiel lässt sich auch der Biotechnologie zuordnen), die Übertragung des (fast) vollständigen Recyclings in die industrielle Produktion, sowie ökologische Um- satzforschung und kybernetische Prozesssteuerung bei komplexen industriellen Vorhaben. 12. Evolutionsbionik: Nutzung biologischer Evo- lutionsstrategien in der Technik für die Optimierung komplexer technischer Systeme und Verfahren (vor allem solcher, die rechnerisch (noch) nicht simulierbar sind). Abb. 116.1 Haischuppen in der Vergrößerung. Erkennbar sind die feinen Rippen, die von Schuppe zu Schuppe verlaufen – von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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