Physik compact, Basiswissen 7, Schulbuch

113 19.4 Der c w -Wert und die Form: Fisch-, Wal- und Pinguinrümpfe als Vorbilder Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden verschie- dene technische Rillenstrukturen nachgebildet. Die mit ihnen erzielbare Reduktion der Wandreibung be- tragenmaximal 10%. Zusätzlich zu starren Rillenstruk- turen werden auch bewegliche, den Haischuppen nachempfundene, mit Oberflächenrillen versehene Plättchen experimentell untersucht, von denen man sich zusätzlich eine energetisch günstigere Ablösung des strömenden Mediums verspricht. Ver- bzw. Auskleidungen von Verkehrsflugzeugen, Gaspipelines und Gasturbinen könnten durch rei- bungsgünstige Ribletfolien gestaltet werden und so Reibungsverluste verkleinern helfen. Formoptimierung nach dem Muster wachsender Bäume Biologische Materialien werden von Natur aus in der Regel mit geringstmöglichem Material- und Energie- bedarf hergestellt. Betrachtet man Bewegungsorgane vonTieren oder denWuchs von tragenden Elementen, so stellt man beachtliche Leichtbauweisen fest! Die Beobachtung der (Wuchs-)Form von Bäumen und anderer mechanisch stark belasteter natürlicher Struk- turen hat ClausMattheck vom Institut für Materialfor- schung des Forschungszentrums Karlsruhe angeregt, sich mit den Gesetzmäßigkeiten ihrer Formgebung zu beschäftigen. Es gelang ihm zu zeigen, dass Struktu- ren dann so leicht wie möglich und so fest wie nötig sind, wenn auf ihrer Oberfläche überall gleiche Span- nungen herrschen. Diese Hypothese der konstanten Spannungen wurde bereits 1893 von dem Förster 19.3 K. Metzger für Fichtenstämme formuliert; eine solche „Bauvorschrift“ führt dazu, dass bei Strukturen wie Bäumen, Knochen, Zähnen und Krallen unter spar- samstem Materialeinsatz Schwachstellen vermieden werden. Und dennoch beinhalten derartige Struktu- ren durch Einschlüsse oft erheblich viel Luft! A1 Suche in deinen Biologiebüchern Schnitte von (großen) Knochen! Basierend auf den Erkenntnissen von stützenden Teilen aus der Biologie wurden computerunterstütz- te Methoden zur Gestaltoptimierung mechanischer Bauteile entwickelt, die seit Jahren erfolgreich in der Industrie eingesetzt werden. Der c w -Wert und die Form: Fisch-, Wal- und Pinguinrümpfe als Vorbilder A2 Wiederhole die Reibungskräfte (Band 5, Kapitel 3)! Durch „windschlüpfrige“, strömungsgünstige Formen lässt sich der Luftwiderstand von Fahrzeugen erheb- lich verkleinern. In der Fahrzeugtechnik wird dies durch den sogenannten c w -Wert beschrieben. Fahr- zeughersteller versuchen, diesen Wert so weit wie möglichherabzusetzen, was sich in einer wesentlichen Treibstoffersparnis niederschlagen soll. Bereits in den 60er-Jahren wurden von Heinrich Hertel Rümpfe für Flugzeuge gefordert, die an die Körperformen schnell schwimmender Fische, Delphine und Wale erinnern. Diese sogenannten Laminarrümpfe bewirkten bei Flugzeugen einen bedeutend geringeren Formwider- stand als bei Flugzeugen mit herkömmlichem zylind- rischen Rumpf. Neuere Untersuchungen an Pinguinen 19.4 Beispiel VerringerteWandreibung Eine weitere Entdeckung könnte abhängig vom Flugzeugtyp und der Einsatzdauer zu einer Einspa- rung von mindestens 60 bis 200 Tonnen Kerosin pro Flugzeug und Jahr führen. Dabei geht es um die Verminderung der Wandreibung von Oberflächen von Flugzeugen. Als Basis für die Entwicklung so- genannter Ribletfolien kann die Entdeckung des Tübinger Wirbeltierpaläontologen Wolf-Ernst Reif gelten. Er stellte fest, dass die zwischen 0,15 bis 0,5 mm großen Schuppen schnell schwimmender Haiarten feinste Längsriefen und -rippen besitzen, die in Strömungsrichtung verlaufen und der Kontur des Haikörpers entlangziehen. In Zusammenar- beit mit DietrichW. Berchert von der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt konnte gezeigt werden, dass diese Oberflächenstrukturen den Stömungswiderstand durch Reduktion der Wandreibung deutlich verringern. Abb. 113.1 Abstützung einer Deckenfläche mit baumartigen Stützelementen BW5/K3 Nur zu Prüfzwecken – Eigen um des Verlags öbv

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