Physik compact, Basiswissen 7, Schulbuch

112 Ziele dieses Kapitels 3 In den Hunderten von Millionen Jahren, in denen durch Evolution Lebewesen an ihre Umgebung angepasst wurden, hat die Natur für manche Auf- gabe optimale Lösungen entwickelt, die wir heu- te versuchen im Rahmen der Bionik für technische Zwecke nachzuahmen. 3 In diesem Kapitel wird versucht, anhand einiger Beipiele die Arbeitsweise der Bionik in ihrer gan- zen Breite darzustellen. Zentrale Elemente dieses Kapitels 3 Lotoseffekt 3 Formoptimierung, c W -Wert 3 Roboter 19 Bionik d4yw7w Was ist Bionik? Bionik ist ein Kunstwort, das sich im Deutschen aus Biologie und Technik ableitet. Ursprünglich stammt der Begriff aus den USA und bezeichnete als bionics zunächst zumeist die Konstruktion von künstlichen Körperteilen oder allgemeiner die Kombination von Biologie und Elektronik. Im englischen Sprachraum wird daher für die Verschmelzung von Biologie und Technik der Ausdruck biomimetics verwendet. Als Fachwissenschaft könnte man die Bionik als das Studium von Ergebnissen der biologischen Evolution aus der Sicht des Ingenieurs bezeichnen. Heute inte- ressiert man sich jedoch vorwiegend für die techni- sche Verwertbarkeit von Konstruktionen der belebten Natur. Dies bezeichnet man auch als Evolutionstech- nik. Dabei geht es um die Entwicklung technischer Systeme nach Prinzipien der biologischen Evolution. Allerdings lässt sich die Natur nicht einfach nachbau- en. Bis neue Erkenntnisse in verwertbare Anwendun- gen umgesetzt werden können, ist genaue und oft langwierige Grundlagenforschung nötig. Der Lotoseffekt Die Oberflächen unbenetzbarer, d. h. wasserabsto- ßender Pflanzenblätter sind, wie der Bonner Botaniker Wilhelm Barthlott Ende der 70er-Jahre feststellte, niemals verschmutzt. Dieser Selbstreinigungseffekt zeigt sich besonders eindrucksvoll bei Indischem Lo- tos (Nelumbo nucifera), dem Symbol der Reinheit in 19.1 19.2 asiatischen Religionen. Die Ursache dieser schmutz- abweisenden Eigenschaft des Lotosblattes liegt da- rin, dass die Blattoberfläche mit kleinen, nur wenige Mikrometer großen Wachskristalloiden besetzt ist. Dadurch entsteht eine mikroskopisch fein genoppte Blattoberfläche. Schmutz- und andere Partikel be- rühren die Blattoberfläche nur an wenigen Punkten und haften daher nur schlecht. Wassertropfen krie- chen dann nicht wie auf glatten Oberflächen über die Schmutzpartikel hinweg ohne den Schmutz mit- zunehmen – auf den unbenetzbaren, fein genoppten Blattoberflächen läuft das Wasser in kugeliger Form ab und nimmt dabei die Schmutzpartikel auf und entfernt sie beim Ablaufen von der Blattoberfläche. Der wichtigste Grund für den Lotos-Effekt in der Na- tur hingegen ist der Schutz gegen krankmachende Keime, wie zB Bakterien und Pilzsporen. Diese werden regelmässig durch Regen von den Blättern entfernt. Beispiel Selbstreinigende Oberflächen 1989 griff Wilhelm Barthlott zusammen mit sei- nem Mitarbeiter Christoph Neinhuis die Beobach- tung wieder auf. Nachdem sie den„Lotos-Effekt“ im Detail erforscht hatten, gelang es, eine nach diesem Prinzip funktionierende künstliche schmutzabwei- sende Oberfläche herzustellen. In Kooperation mit mehreren Industriepartnern werden auf der Basis dieses patentierten Verfahrens schmutzabweisende, selbstreinigende Lacke, Farben und andere Oberflä- chenbeschichtungen hergestellt, die weitreichende Anwendungsmöglichkeiten besitzen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=